Brasilien Dem Feind sei Dank
28.12.2019, 00:01 Uhr
Der Amazonas brannte 2019 weitflächig wie lange nicht, so wie hier nahe Porto Velho im Bundesstaat Rondônia.
(Foto: REUTERS)
Die größte Volkswirtschaft Südamerikas wurde in diesem Jahr vorübergehend zum Zentrum der Weltpolitik. Der Amazonas-Regenwald brannte lichterloh, die Rauchwolken, die wegen der Rodungen über den Kontinent zogen, waren weltweit auf den Fernsehschirmen und sogar bis in den Weltraum zu sehen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte: Der Regenwald sei eine globale Angelegenheit und machte ihn zum Thema des G7-Gipfels. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro schlussfolgerte, ausländische Mächte wollten sich die Kontrolle über den Reichtum des Landes sichern, damit Brasilien nicht vorankomme. Er warf Macron "Kolonialmentalität" vor und lehnte internationale Finanzhilfen ab. Der rechtsextreme Staatschef hat viele Schlüsselpositionen mit Militärs besetzt.
Anfang November wurde zudem Ex-Präsident Lula da Silva vorübergehend aus der Haft entlassen. Ein Gericht hatte entschieden: So lange nicht alle Berufungsmöglichkeiten gegen seine zwölfjährige Haftstrafe ausgeschöpft seien, müsse die linke Galionsfigur auf freiem Fuß bleiben. Wenige Wochen später bestätigte ein anderes Gericht das Urteil gegen Lula und erhöhte das Strafmaß sogar auf 17 Jahre. Der ehemalige Staatschef und linke Galionsfigur hat demnach Bauunternehmen im Gegenzug für die Renovierung seines Anwesens im São Paulo bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorteilt.
Lula ist ein besonders emotional besetztes Feindbild. All das spielt Bolsonaro in die Karten, denn auch so funktioniert (sein) Populismus. In seinem ersten Regierungsjahr hat Bolsonaro seine Versprechen nicht eingelöst – das Land endlich wieder auf wirtschaftlichen Wachstumskurs zu bringen und die Gewalt in den Favelas zu reduzieren.
Nicht wenige in Brasilien fragen sich zudem, ob der Rechtsextreme etwas mit dem Tod der linken, schwarzen Lokalpolitikerin Marielle Franco zu tun hatte, die 2018 von Auftragskillern in ihrem Auto ermordet wurde. Sie war besonders gegen Polizeigewalt und für Frauenrechte in Rio de Janeiro aktiv. Bolsonaro wohnte in derselben Anlage wie einer der beiden Verdächtigen im Mordfall, es gibt sogar Selfies mit dem jetzigen Präsidenten. Der Staatschef eignete sich ein Beweisstück an; angeblich, um es vor Manipulationen zu schützen. Eine Reportage des Fernsehsenders Globo brachte Bolsonaro mit einer umstrittenen Beweiskette direkt mit dem Mord in Verbindung. Bolsonaro rastete wegen der Anschuldigungen vor einer Kamera völlig aus - für Kritiker ein weiterer Beleg dafür, wie ungeeignet er für sein Amt ist.
(Stand: 15. Dezember 2019)
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Quelle: ntv.de, rpe