Politik

"Tag des Widerstands" Demonstranten in Israel stürmen kurzzeitig die Börse

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Die geplante Justizreform treibt in Israel Tausende Menschen auf die Straße. In Tel Aviv blockieren sie ein Hauptquartier des Militärs und stürmen kurzzeitig die Börse. Die Organisatoren der Demonstrationen haben vor allem eine Hoffnung.

Am angekündigten "Tag des Widerstands" kommt es in Israel landesweit zu Kundgebungen und Störaktionen gegen die geplante Justizreform der Regierung. Die Demonstranten sehen darin eine vorangetriebene Schwächung der Justiz. Medienberichten zufolge versammelten sich Hunderte Menschen zu Kundgebungen. Dabei wurde in Tel Aviv der Eingang eines Militär-Hauptquartiers blockiert sowie sogar kurzzeitig die Börse gestürmt. Unter den Demonstranten befinden sich auch viele Reservisten der Armee.

An Straßen und Autobahnen kam es ebenfalls zu Blockaden. Lokale Medien berichteten von mehreren Festnahmen. Am "Tag des Widerstands" sollen laut den Organisatoren landesweit den ganzen Tag über Kundgebungen und Störaktionen stattfinden. Die Demonstranten wollen damit Druck auf die Regierung ausüben, die die Justizreform trotz des großen Widerstands im Land weiter vorantreibt. Die Protestbewegung ist eine der größten in der Geschichte Israels und umfasst breite Gesellschaftsteile.

Auch mehrere tausend Reservisten drohen, ihren Dienst nicht mehr antreten zu wollen, sollte ein Teil der Justizreform verabschiedet werden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete ihre angekündigte Dienstverweigerung als "gesetzeswidrig" und eine Gefährdung für die "Sicherheit aller israelischen Bürger". In der kommenden Woche soll nach dem Willen der rechts-religiösen Koalition ein wichtiger Teil der Reform zur Einschränkung des Höchsten Gerichts verabschiedet werden.

Präsident Herzog zu Gesprächen mit Biden in Washington

Israels Präsident Izchak Herzog wird derweil in Washington US-Präsident Joe Biden treffen. Die Organisatoren der Proteste appellieren an die USA, ihren Einfluss zu nutzen und die Regierung an ihren umstrittenen Plänen zu hindern. Der israelische Journalist Ben Caspit bezeichnete in der Zeitung "Ma'ariv" Herzogs Besuch als "Rettungsmission". Die USA sind traditionell Israels engste Verbündete. So unterstützen die USA Israel etwa im Bereich Verteidigung mit Milliardensummen.

Washington hat schon mehrfach Bedenken über den geplanten Umbau der israelischen Justiz geäußert. Auch einige Mitglieder im Kabinett Netanjahus, der seit Monaten auf einen Antrittsbesuch im Weißen Haus wartet, sind der US-Regierung ein Dorn im Auge. In einem CNN-Interview hatte Biden einige Kabinettsmitglieder als "extrem" bezeichnet. Vor allem die Siedlungspolitik ist ein Streitpunkt. Immerhin wurde nun von Seiten der USA in einem Telefonat vage ein Treffen für den Herbst in Aussicht gestellt.

Mit dem geplanten Umbau des Rechtssystems soll eine Schwächung der unabhängigen Gerichtsbarkeit in Israel erreicht und die Macht des Parlaments und der Regierung gestärkt werden. Ministerpräsident Netanjahu will so eine Einmischung des Höchsten Gerichts in politische Entscheidungen verhindern. In der kommenden Woche soll ein wichtiger Teil der Reform zur Einschränkung des Höchsten Gerichts in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden. Kritiker sehen die Gewaltenteilung und damit die Demokratie in Gefahr. Manche warnen gar vor der schleichenden Einführung einer Diktatur. Die Regierung wirft den Richtern vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.

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Dem Obersten Gericht kommt bisher eine Kontrollfunktion für die Regierung zu, da es in Israel keine zweite Parlamentskammer gibt. Es überprüft die Rechtsmäßigkeit von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen. In Israel gibt es außerdem keine "geschriebene Verfassung" gibt, sondern eine Sammlung von Grundgesetzen.

Netanjahu hat bereits einige Pläne des Gesetzes aufgeweicht. Im "Wall Street Journal" sagte er: "Die Idee einer Aufhebungsklausel, nach der das Parlament, die Knesset, die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs mit einer einfachen Mehrheit aufheben kann, habe ich verworfen." Allerdings kündigte er an, weite Teile der Reform beizubehalten.

Quelle: ntv.de, psc/dpa/rts

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