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Kenia macht Druck Eine Welt ohne Plastik - geht das?

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Millionen Tonnen Plastik landen jährlich in den Weltmeeren.

Millionen Tonnen Plastik landen jährlich in den Weltmeeren.

(Foto: picture alliance/dpa/ZUMA Press Wire)

In Nairobi beraten Staatschefs, Diplomaten und Umweltschützer aus aller Welt über ein Abkommen zur Vermeidung und Bekämpfung von Plastikmüll. Es ist höchste Zeit: Millionen Tonnen Plastik geraten jährlich in Flüsse, Seen und Ozeane.

In dieser Woche haben sich Regierungsvertreter aus 175 Ländern sowie Diplomaten, Wirtschaftsakteure und Umweltschützer in Kenias Hauptstadt Nairobi zusammengefunden, um einen internationalen Vertrag zu erarbeiten, der die Welt vor einer Überschwemmung mit Plastikmüll retten soll. Es soll ein weltweit bindendes Abkommen werden, das zweitwichtigste Programm zur Rettung des Planeten nach dem Pariser Abkommen von 2015, in welchem sich die Staaten der Erde verpflichtet haben, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

"Die Bedrohung unseres Planeten, unserer Gesundheit und unserer Zukunft durch Plastik ist so groß", mahnt Kenias Präsident William Ruto als Gastgeber in seiner Eröffnungsrede, "dass wir alle - und damit meine ich alle, der globale Süden und der globale Norden - ein globales Instrument entwickeln und umsetzen müssen, das uns dabei hilft, die Bedrohung durch Plastikverschmutzung in unserer Welt zu neutralisieren." Ziel soll es sein, so Ruto, dass sich die über 2000 Konferenzteilnehmer diese Woche auf ein Abkommen einigen, das besonders gefährliche Plastikprodukte weltweit verbietet, sowie die Staaten zur Reduzierung von Plastik verpflichten soll.

Laut Angaben der UN-Umweltagentur UNEP, unter deren Schirmherrschaft das Abkommen verhandelt wird, werden jedes Jahr weltweit mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert. Davon gelangen 23 Millionen Tonnen in Flüsse, Seen und weiter in die Ozeane. Nur weniger als 10 Prozent werden weltweit recycelt. Fast die Hälfte des Plastikmülls wird auf Deponien abgelagert, ein weiteres Viertel wird schlecht entsorgt, während 17 Prozent verbrannt werden. In Anbetracht dieser Plastikmüllberge sagte Ruto: "Wenn wir nichts tun, werden wir bis zum Jahr 2060 mehr als eine Milliarde Tonnen Plastik produzieren. Diese Art der Verschmutzung unserer Umwelt ist inakzeptabel und im Wesentlichen existenziell."

Afrika besonders schlimm betroffen

Dass diese wichtige Umweltkonferenz in Afrika stattfindet, ist kein Zufall. In Kenias Hauptstadt Nairobi befindet sich seit ihrer Gründung 1972 der UNEP-Hauptsitz. Damals hatten Regierungsvertreter aus Afrika innerhalb der Vereinten Nationen darauf gepocht, dass einige UN-Agenturen im globalen Süden ihr Hauptquartier erhalten sollten, um auch die Perspektiven der weniger entwickelten Staaten einzubeziehen. Der UNEP-Hauptsitz war der erste im globalen Süden. Seitdem gelingt es den afrikanischen Staaten, vor allem in Umweltfragen ihre Probleme in der Welt anzusprechen. Nach dem afrikanischen Klimagipfel in Nairobi im September ist die Plastikkonferenz nun die zweite wichtige Umweltkonferenz dieses Jahr auf dem Kontinent.

Afrikanische Länder sind vom Plastikmüll besonders schlimm betroffen. Nur die wenigsten Großstädte Afrikas verfügen über funktionierende Müllentsorgungssysteme, wie zum Beispiel eine Müllabfuhr. Von Mülltrennung- und Recycling bestimmter Rohstoffe wie Plastik oder auch Glas und Papier sind die meisten weit entfernt. Meistens landet der ganze Müll - vom Elektroschrott bis zur Bananenschale - auf einem gigantischen Müllberg außerhalb der Hauptstadt. Gleichzeitig führen bestimmte Faktoren wie Armut und Mangel an sauberem Trinkwasser aus Brunnen und Wasserleitungen dazu, dass die Menschen mehr Plastik konsumieren: Jeder Liter Wasser, den die Menschen täglich trinken, wird in einer Plastikflasche serviert.

In vielen Großstädten birgt Plastikmüll lebensgefährliche Risiken. Tüten und Flaschen verstopfen in der Trockenzeit die Abwassersysteme. Sobald der monsunartige Starkregen einsetzt, kann das Wasser nicht abfließen und ganze Stadtteile stehen unter Wasser, Kinder ertrinken.

In Kenia drohen vier Jahre Gefängnis

Einige afrikanische Länder haben deswegen bereits eine drastische Abkehr vom Einwegplastik vollzogen. Das kleine Land Ruanda im Herzen des Kontinents ist seit 2008 weltweit eines der Vorzeigeländer für die Null-Toleranz-Politik gegenüber Einwegplastik: Selbst bei der Einreise wird am Flughafen jeder Koffer nach Plastiktüten durchwühlt. Kenia hat 2017 ein harsches Gesetz gegen Einwegplastik eingeführt, nachdem Nutztiere wie Kühe grausam gestorben waren, weil ihre Mägen mit Plastik verstopft waren. Auf Missachtung des Gesetzes stehen vier Jahre Gefängnis sowie eine Geldstrafe von umgerechnet 25.000 Euro.

Mittlerweile zeigt sich aber: Selbst wenn einzelne Staaten Plastik weitestgehend verbieten, stoßen diese Gesetze automatisch an ihre Grenzen. Mittlerweile haben sich in Ostafrika mafiaartige Strukturen etabliert, die Plastiktüten quer durch den Kontinent schmuggeln. Kenias Präsident Ruto ist deswegen ein eifriger Verfechter eines weltweiten Abkommens, das langfristig Einwegplastik weltweit verbietet. Über 60 Länder weltweit, darunter viele aus dem globalen Süden, sprechen sich für eine starke Reduktion der Plastikproduktion aus.

Andere Staaten pochen wiederum auf eine freiwillige Selbstverpflichtung von Regierungen, ähnlich wie beim Pariser Abkommen 2015. Bei der vergangenen Verhandlungsrunde des zuständigen UNEP-Komitees in Paris im Mai haben sich führende Öl- und Plastik produzierende Länder wie die USA, China, Indien sowie Saudi-Arabien dafür ausgesprochen, dass jedes Land seine eigenen Regeln hinsichtlich der Plastikreduzierung erlassen solle. Ein weltweit einheitliches, bindendes Abkommen lehnen sie ab.

Im September legte das UNEP-Komitee einen ersten Entwurf für ein Abkommen vor. Dieser gilt als Grundlage der Verhandlungen diese Woche in Nairobi. Viele Teilnehmer erhoffen sich am Ende dieser Woche ein globales Abkommen. Der peruanische Komitee-Vorsitzende Gustavo Meza-Cuadra Velasquez betonte zu Beginn der Verhandlungen: "Wir haben die kollektive Macht, diesen Kurs zu ändern."

Quelle: ntv.de

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