Kommt bald die Volksabstimmung? Europakurs entzweit CDU
26.06.2012, 07:26 Uhr
Nicht einig: Schäuble kann sich eine Volksabstimmung über eine weitere Integration in die EU bald vorstellen. Kanzlerin Merkel will noch nicht daran denken.
(Foto: picture alliance / dpa)
Am Wochenende prescht Finanzminister Schäuble vor: Er fordert mehr Kompetenzen für Brüssel. Ein Kurs, mit dem er den Ärger einiger Parteikollegen auf sich zieht. Der Euroskeptiker Bosbach meldet sich zu Wort. Fernab der parteiinternen Querelen sind sich Verfassungsrechtler einig: Ohne eine Volksabstimmung kann es gar nicht mehr Europa geben.
Deutschlands Parlamente ratifizieren den Fiskalpakt - so viel scheint sicher. Doch wie viel Kompetenzverlagerung nach Brüssel gibt das Grundgesetz her? Die Debatte über Volksentscheide und eine neue Verfassung gewinnt an Fahrt.

Bosbach: "Was Kompetenzverlagerungen angeht, sind wir jetzt schon an der Grenze dessen angelangt, was die Verfassung erlaubt".
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"Ich bin dagegen, dass wir Kompetenzen vom Bund nach Brüssel verlagern, die den Kern des politischen Gestaltungsspielraumes in Deutschland massiv reduzieren", warnte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, in der "Frankfurter Rundschau". "Was Kompetenzverlagerungen angeht, sind wir jetzt schon an der Grenze dessen angelangt, was die Verfassung erlaubt", fügte der CDU-Politiker hinzu. "Wenn wir das Königsrecht des Parlaments, das Budgetrecht, europäischen Institutionen überantworten, dann tangiert das unser Grundgesetz im Kern. Darüber könnten nicht allein Bundestag und Bundesrat entscheiden. Das ginge nicht ohne Zustimmung der Bevölkerung." Zu einer Volksabstimmung will es der Euroskeptiker Bosbach aber gar nicht erst kommen lassen.
Auch seine Parteikollegin, Kanzlerin Angela Merkel, will die wachsende Machtfülle der EU nicht durch eine schnelle Volksabstimmung in Deutschland absichern lassen.
Ohne geht es aber nicht, davon ist der frühere Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch überzeugt. "Es steht außer Frage: Formen wir die Europäische Union zu einem Bundesstaat um, so geht das in Deutschland nicht auf der Grundlage unseres Grundgesetzes", sagte Jentsch der "Mitteldeutschen Zeitung". "Wir, das deutsche Volk, müssten uns eine neue Verfassung geben, die das zulässt."
Ähnlich äußerte sich der Verfassungsrechtler Christian Kirchberg. "Wenn in beachtlichem Umfang Souveränitätsrechte an übernationale Instanzen abgetreten werden sollen, kommt man jedenfalls mit dem derzeitigen Grundgesetz nicht mehr aus", sagte er den "Stuttgarter Nachrichten".
Merkel gegen Volksabstimmung
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU hatte die Er gehe davon aus, dass ein solcher Volksentscheid schneller kommen könnte, als er noch kürzlich gedacht hätte, sagte er dem "Spiegel".
Beim EU-Gipfel in Brüssel beraten die Staats- und Regierungschefs von Donnerstag an über die Euro-Schuldenkrise und die europäische Haushaltspolitik. Am Freitag stehen dann im Bundestag und Bundesrat die Abstimmungen über den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin und den neuen Euro-Rettungsfonds ESM an.
Die nötige Zweidrittelmehrheit für den Fiskalpakt gilt in beiden Häusern als sicher. Merkel strebt auch bei der ESM-Entscheidung im Bundestag eine solche Mehrheit an, um mögliche verfassungsrechtliche Risiken auszuschließen. Allerdings hat ohnehin das Verfassungsgericht das letzte Wort. Unter anderem Es handele sich um einen "Eingriff in unsere Budgethoheit", sagte Fraktionschef Gregor Gysi bei "Phoenix". Ohne eine Volksabstimmung hält die Linke schon diesen Pakt für unvereinbar mit dem Grundgesetz.
Quelle: ntv.de, dpa