Wie reagiert sie auf Druck? Ex-RAF-Staatsanwalt glaubt an Hinweise in Klettes Wohnung
28.02.2024, 14:45 Uhr Artikel anhören
Die Behörden werden alles versuchen, um Informationen über die RAF von Ex-Mitglied Daniela Klette zu bekommen. Dass sie auspackt, ist jedoch unwahrscheinlich. Ex-Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger glaubt, dass es in ihrer Wohnung weitere Hinweise geben könnte.
Auch nach der Festnahme von Ex-RAF-Mitglied Daniela Klette hält es der frühere Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger für wenig wahrscheinlich, dass die beiden weiter gesuchten RAFler Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg dem Fahndungsdruck nachgeben und sich freiwillig stellen. "Ich habe eine kleine Hoffnung", sagte Pflieger, der in den 1980er-Jahren an mehreren RAF-Ermittlungen und Anklageschriften insbesondere gegen die erste und zweite Generation der Rote Armee Fraktion beteiligt war.
"Ich gehe aber eher davon aus, dass sie nach so langer Zeit mit falscher Identität versuchen werden, weiter verdeckt zu leben und zu agieren." Der frühere Jurist rechnet auch mit weiteren Überfällen auf Geldtransporter: "Sie müssen ja von etwas leben, wenn ihnen das Geld ausgeht. Und dann machen sie halt von dem Gebrauch, was sie gelernt haben."
Dabei werde der Druck auf Staub und Garweg steigen. "Ich könnte mir vorstellen, dass bei Daniela Klette in der Wohnung Informationen gefunden wurden, die auf die beiden Männer hinweisen könnten, seien es Mails oder Telefonanrufe oder irgendetwas." So könne vielleicht schon ein gewisser Aufruhr entstanden sein, denn es bestanden ja Kontakte innerhalb des Trios.
Podcast kam ihr vor Monaten sehr nahe
Auf der anderen Seite könnte es auch sein, dass Klette sich vorbereitet hat, da sie in letzter Zeit verstärkt ins Ziel genommen wurde. In ihrer Wohnung wurden laut Polizei zwar Magazine einer Pistole und Patronen gefunden, aber keine Waffe.
Bereits im Dezember war der 65-Jährigen der RBB-Podcast "Most Wanted" nahe gekommen und hatte sie mit Bildern eines Berliner Capoeira-Vereins in Verbindung gebracht. Auf solchen Fotos ist Klette auch jetzt nach ihrer Festnahme noch auf ihrem Facebook-Profil sowie auf den Homepages eines brasilianischen Vereins und eines afro-brasilianischen Kulturfestivals zu sehen.
Vor wenigen Wochen wurde zudem die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" ausgestrahlt, die sich ausgiebig mit Klette, Staub und Garweg beschäftigte. Im Zuge dessen gingen Hunderte Hinweise zu ihr und den anderen Gesuchten ein. Sie sollen laut den Behörden aber nicht zur Festnahme Klettes geführt haben, sondern ein Hinweis aus dem letzten Jahr.
Die Ex-RAFlerin war am Dienstag in Berlin gefasst worden. Sie war gemeinsam mit Staub und Garweg schon in den 1990er-Jahren untergetaucht. Das Trio soll unter anderem zwischen 1999 und 2016 Raubüberfälle auf Geldtransporter begangen haben. Schwerpunkte waren Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Während die Sicherheitsbehörden sich nach der Festnahme von Klette, die möglicherweise lange Zeit mitten in Berlin gelebt hat und sich öffentlich auf Bildern zeigte, überschwänglich rühmten, sagte der Journalist Stefan Aust gegenüber "RTL Direkt": "Na ja, wenn man die 30 Jahre ausklammert, dann ist es in der Tat ein Meisterstück. Das hat sehr lange gedauert." Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens hatte die Festnahme Klettes ein "Meisterstück" genannt.
Dass Klette auspackt, ist unrealistisch
Wegen der langen Zeit im Untergrund ist Ex-RAF-Staatsanwalt Pflieger überzeugt, dass die früheren RAF-Terroristen ein Netzwerk von Helfern gehabt haben müssen. "Wir haben das bei allen RAF-Generationen erlebt, dass es jede Menge Unterstützer gab, die etwa Unterschlupf angeboten haben. Manche Dinge wie Arztbesuche und andere Dinge des täglichen Lebens sind nur schwer zu erledigen ohne eine solche Hilfe. Es gab sicher Hilfe", sagte der 76-Jährige.
Pflieger rechnet aber nicht damit, dass Klette die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen wird, um Namen zu nennen. "Die Tradition der RAF zeigt, dass die Leute zu 99 Prozent versucht haben, das Schweigegebot einzuhalten", sagte der Terrorexperte. "Ich habe die Sorge, dass sich Frau Klette daran hält."
Dennoch sollte der Staat die festgeschriebene Kronzeugenregelung weiter offensiv anbieten, damit die früheren Terroristen ihre Geheimnisse offenbaren. "Es muss uns wichtig sein, die bislang offenen Fragen zu den Attentaten und Opfern zu beantworten", sagte Pflieger. "Wenn wir kein Zugeständnis machen, werden wir die historische Wahrheit vielleicht nie erfahren."
Quelle: ntv.de, rog/dpa