Politik

"Aleppo wird das Grab der Panzer" Assads Offensive stockt

Der Ausschnitt aus einem Video Ugarit News zeigt Männer auf einem Panzer in der syrischen Stadt Aleppo.

Der Ausschnitt aus einem Video Ugarit News zeigt Männer auf einem Panzer in der syrischen Stadt Aleppo.

(Foto: dpa)

In Syriens nördlicher Handelsmetropole Aleppo sprechen die Waffen. Tausende Soldaten, Kampfhubschrauber und Panzer sind im Einsatz, doch die Regimetruppen können den Rebellen in Aleppo kaum Terrain abtrotzen. Ihr Widerstand gegen die Übermacht ist beherzt. Die Rebellen rufen "Bruderstaaten" um Hilfe.

Aleppo unter Beschuss: Dunkle Rauchwolken über einer zerstörten Häuserfront.

Aleppo unter Beschuss: Dunkle Rauchwolken über einer zerstörten Häuserfront.

(Foto: dpa)

Mit dem massiven Einsatz von Kampfhubschraubern und Artillerie versuchen syrische Regierungstruppen die Entscheidung im Kampf gegen die Rebellen in der Millionenmetropole Aleppo zu erzwingen. Aufständische berichteten in den von ihnen gehaltenen Stadtvierteln von schweren Kämpfen.

"Unsere Positionen sind unverändert", sagte der Rebellenkommandeur Abu Omar al-Halebi. Die Truppen von Präsident Baschar al-Assad hätten Raketenwerfer, Helikopter und Kampfjets eingesetzt. Ihre Angriffe konzentrierten sich auf den Zugang zum südwestlichen Randbezirk Salaheddin, einer Hochburg der aufständischen Freien Syrischen Armee (FSA). Ein entscheidender Vorstoß sei ihnen aber bislang nicht gelungen, sagte Al-Halebi.

Schwere Kämpfe seien auch am nördlichen Rand von Aleppo aufgeflammt, berichteten die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London. Regimetruppen griffen die FSA-Stellungen in den Stadtteilen Bab al-Hadid, Al-Sahara and Al-Arkub an. Die Rebellen zerstörten nach eigenen Angaben mehrere Panzer. Bilder von den ausgebrannten Wracks tauchten im Internet auf. Von unabhängiger Seite ließ sich das wegen der Kriegssituation nicht bestätigen. Gefechte soll es inzwischen auch in Innenstadtbezirken geben. Die Straßen in Stadtvierteln unter Kontrolle der Rebellen waren menschenleer. Kämpfer richteten Stellungen in Häusern ein, die offensichtlich Hals über Kopf verlassen worden waren.

Warnung vor "sehr großem Massaker"

Der Militärchef der Rebellen im umkämpften Aleppo, Abdel Dschabbar al-Okaidi, warf den Regierungstruppen vor, ein "sehr großes Massaker" in der Millionenstadt im Nordwesten Syriens anrichten zu wollen. "Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf einzugreifen, um diese Verbrechen zu verhindern", sagte der zur Opposition übergelaufene Offizier.

"Aleppo wird das Grab der Panzer des Regimes", sagte al-Okaidi. "Wir sind bereit zum Sturz des Regimes." Den Westen rief er auf, eine Flugverbotszone einzurichten. Mit Hilfe einer derartigen Zone werde die FSA die Regierung von Präsident Baschar al-Assad schon bald zu Fall bringen.

Bislang halten die Rebellen ihre Stellungen in der Stadt.

Bislang halten die Rebellen ihre Stellungen in der Stadt.

(Foto: dpa)

Für die aus Deserteuren und bewaffneten Rebellen gebildete FSA gebe es im Kampf um die Wirtschaftsmetropole Aleppo keinen "strategischen Rückzug", sagte al-Okaidi weiter. "Wir warten auf den Angriff." Zur Zahl der in der Stadt kämpfenden Rebellen machte er keine Angaben. Dies sei ein "Militärgeheimnis".

Die Regierungsarmee könne ihre Flugzeuge und Artillerie "nur aus der Entfernung einsetzen, Städte bombardieren und Häuser zerstören". Sie sei nicht in der Lage, ins Zentrum von Aleppo vorzudringen. "Wir sind überall über die Stadt verteilt, und wir haben Waffen, um uns gegen die Hubschrauberangriffe zu verteidigen", sagte al-Okaidi.

Die Regierungstruppen hatten am Vortag mit ihrer seit Tagen erwarteten Offensive in Aleppo begonnen. Unterstützt von Kampfjets, Hubschraubern und schwerer Artillerie waren Panzer und Soldaten gegen die FSA-Stellungen vorgerückt. Allein am Samstag wurden nach Angaben der oppositionellen Lokalen Koordinierungskomitees landesweit mindestens 160 Menschen getötet, davon mindestens 33 in Aleppo. Unter den Toten waren demnach auch mehr als 20 Kinder.

Befreundete Staaten sollen Rebellen bewaffnen

Der Chef des oppositionellen Syrischen Nationalrats (SNC), Abdel Basset Sajda, rief befreundete und "Bruderstaaten" auf, die Rebellen mit Waffen zu versorgen. "Wir wollen Waffen, die die Panzer und Kampfflugzeuge stoppen würden", sagte der im Exil lebende SNC-Chef in Abu Dhabi.

Sajda kündigte an, seine Organisation wolle mit Rebellengruppen vor Ort über die Bildung einer Übergangsregierung beraten. Derzeit werde über die Idee einer solchen Regierung nachgedacht, "und wir werden alle Truppen in Syrien kontaktieren". Eine Übergangsregierung müsse von einer "patriotischen, ehrlichen" Persönlichkeit geführt werden, die "seit Beginn der syrischen Revolution" für diese eintrete.

Der SNC-Chef forderte ferner, Syriens Staatschef Baschar al-Assad müsse wegen der "Massaker" an Syrern vor Gericht vor Verantwortung gezogen werden. Es handele sich um einen "Verbrecher", der nicht Asyl in einem anderen Land erhalten dürfe.

Syrien und Iran: Israel ist Provokateur

Die bedrängte syrische Führung sucht derweil Beistand im Iran. Assads Außenminister Walid al-Muallem hielt sich zu Gesprächen mit dem iranischen Außenminister Ali-Akbar Salehi und Said Dschalili vom Nationalen Sicherheitsrat in Teheran auf. Teheran hat sich bereiterklärt, jeden Friedensplan für Syrien zu unterstützen, bei dem Assad an der Macht bleibt.

Beide Länder sprechen von einer Verschwörung Israels. Das Ziel sei der Sturz der Regierung in Damaskus, so die Außenminister. "Das zionistische Regime (Israel) agiert als Drahtzieher und führender Provokateur dieses Komplotts", erklärte Al-Muallem. Sein Land sei entschlossen, die "bewaffneten Terroristen" zu besiegen - "auch die in Aleppo".

Der iranische Außenminister warnte Katar, Saudi-Arabien und die Türkei davor, sich einzumischen. "Die Länder sollten sich der gefährlichen Folgen einer solchen Politik für die gesamte Region bewusst sein." Sie sollten auch nicht naiv sein und glauben, dass ein Regimewechsel in Syrien einfach zu erreichen sei.

Wichtige Machtprobe für Assad

Die Schlacht um das wirtschaftliche Zentrum des Landes gilt als bislang wichtigste Machtprobe für die Regierung, die große militärische Ressourcen in die Kämpfe um die beiden Metropolen, Aleppo im Norden und die Hauptstadt Damaskus, gesteckt hat. Eine Niederlage des Regimes in Aleppo würde eine entscheidende Phase für Syrien einläuten, sagte der Chef der in Großbritannien angesiedelten oppositionellen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdulrahman. Militärexperten gehen davon aus, dass Assads Kräfte mit ihrer größeren Schlagkraft die Kontrolle über Aleppo und andere Großstädte erobern können. Allerdings zu dem Preis, dass sie weite ländliche Gebiete den Rebellen überlassen.

Appelle für Ende des Blutvergießens

Der internationale Sondervermittler Kofi Annan rief zur Mäßigung auf. Die Lage in Aleppo unterstreiche die Notwendigkeit für ein geschlossenes Handeln der Weltmächte, sagte er. Die internationale Gemeinschaft müsse beide Seiten überzeugen, dass nur eine politische Lösung Frieden bringen könne. Papst Benedikt erklärte, die Weltmächte sollten nichts unversucht lassen, um den Konflikt zu beenden. An die Nachbarstaaten Syriens appellierte er, den Menschen zu helfen, die vor der Gewalt in ihrem Land flüchteten.

Außenminister Guido Westerwelle forderte in der Zeitung "Bild am Sonntag" Assad auf, die Macht abzugeben. "Syrien hat mit Assad keine Zukunft. Assad muss gehen." Frankreichs Präsident Hollande erklärte, er wolle weiter versuchen, die wichtigsten Unterstützer Assads im Sicherheitsrat, Russland und China, von härteren Sanktionen zu überzeugen. Auch sie müssten sehen, dass "es Chaos und Bürgerkrieg gibt, wenn Assad nicht bald gestoppt wird", sagte Hollande.

Nach Ansicht Russlands wiederum würde eine stärkere Unterstützung der syrischen Opposition durch das Ausland nur zu noch mehr Blutvergießen führen. Der mit Syrien verbündete Iran bezeichnete Überlegungen einer ordentlichen Machtübergabe in Syrien als Illusion. Es sei naiv zu glauben, dass nach einem Machtvakuum und einer Übergangsphase einfach eine neue Regierung das Ruder übernehmen könne, sagte Außenminister Ali Akbar Salehi.

Quelle: ntv.de, dsi/rts/AFP/dpa

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