Blutige Schlacht um Aleppo Hunderttausende fliehen
29.07.2012, 22:24 Uhr
Zivilisten versuchen bei ihrer Flucht aus Aleppo zu retten, was zu retten ist.
(Foto: AP)
Die erbitterten Kämpfe um Aleppo werden zu einer Machtprobe für das Regime Assad. Aus Angst vor einem Blutbad verlassen innerhalb von zwei Tagen rund 200.000 Menschen die Stadt, doch noch immer sind viele Hilfsbedürftige in der Metropole eingeschlossen. Die UN fordern freien Zugang für Hilfsorganisationen, die Rebellen wollen Waffen.
Vor den sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen innerhalb von 48 Stunden 200.000 Menschen geflohen. UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos forderte freien Zugang nach Aleppo für Hilfsorganisationen. Durch die Offensive der regulären Truppen von Präsident Baschar al-Assad seien in der Wirtschaftsmetropole Aleppo zahlreiche Hilfsbedürftige eingeschlossen, erklärte Amos in New York. Die Hilfsorganisationen müssten die Möglichkeit erhalten, den Bedürftigen Nahrung, Wasser und Decken zur Verfügung zu stellen.
Amos forderte alle kämpfenden Parteien auf, "Zivilisten nicht als Zielscheiben" auszuwählen. Es sei "sehr schwierig" für die Hilfsorganisationen, zu den Flüchtlingen vorzudringen, die sich aus Aleppo, Hama und anderen umkämpften Gebieten in Sicherheit zu bringen suchten. Die Armee greift Aleppo bereits den zweiten Tag in Folge an.
Das Ende für Baschar al-Assad
Der Sturm der syrischen Regierungstruppen auf die Wirtschaftsmetropole Aleppo ist nach Einschätzung von US-Verteidigungsminister Leon Panetta der "Sargnagel" für Staatschef Baschar al-Assad. Aleppo sei ein neues "tragisches Beispiel" für die "blinde Gewalt", die Assads Regierung gegen das eigene Volk richte, sagte Panetta am Sonntag an Bord einer Militärmaschine mit Ziel Tunesien.
Assad habe jegliche Legitimität verloren, fügte der Pentagonchef hinzu. Je mehr Gewalt er anwende, desto mehr stelle er sicher, dass "das Regime seinem Ende zugeht". Die Frage sei nicht mehr, ob Assad stürze, sondern wann, sagte Panetta weiter. Die USA und die internationale Gemeinschaft übten diplomatischen und wirtschaftlichen Druck aus, um die Gewalt zu beenden, Assad zum Rücktritt zu zwingen und den Übergang zu einer demokratischen Regierungsform zu ermöglichen.
Besonderes Augenmerk liege auf der Sicherheit der syrischen Lager mit chemischen und biologischen Waffen, sagte der Verteidigungsminister. Dabei arbeite Washington "eng mit den Ländern der Region" zusammen. Panetta wollte nach dem Besuch in Tunesien nach Ägypten, Israel und Jordanien weiterreisen..
Regierungstruppen geraten ins Stocken
Trotz ihrer Offensive konnten die syrischen Regierungstruppen Aleppo zunächst . Nach Angaben eines Aufständischen, der seinen Namen mit Abu Alaa angab, setzte die Armee den Beschuss des Viertels Salaheddin fort, in dem die Aufständischen am Vortag eine Bodenoffensive zurückgeschlagen hatten. Zudem gab es Gefechte in den Vierteln Bab al-Nasr, Bab al-Dschadid und in der historischen Altstadt. Die verbliebenen Einwohner Aleppos suchten in Kellern Schutz vor dem Beschuss aus Panzern und Helikoptern.
Aufständische berichteten in den von ihnen gehaltenen Stadtvierteln von schweren Kämpfen. Die Truppen von Präsident Baschar al-Assad hätten Raketenwerfer, Helikopter und Kampfjets eingesetzt. Der Militärchef der Rebellen im umkämpften Aleppo, Abdel Dschabbar al-Okaidi, warf den Regierungstruppen vor, ein "sehr großes Massaker" in der Millionenstadt im Nordwesten Syriens anrichten zu wollen. "Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf einzugreifen, um diese Verbrechen zu verhindern", sagte der zur Opposition übergelaufene Offizier.
"Aleppo wird das Grab der Panzer des Regimes", sagte al-Okaidi. "Wir sind bereit zum Sturz des Regimes." Den Westen rief er auf, eine Flugverbotszone einzurichten. Mit Hilfe einer derartigen Zone werde die FSA die Regierung von Präsident Baschar al-Assad schon bald zu Fall bringen.
Die Regierungstruppen hatten am Samstag mit ihrer Offensive in Aleppo begonnen. Unterstützt von Kampfjets, Hubschraubern und schwerer Artillerie waren Panzer und Soldaten gegen die FSA-Stellungen vorgerückt. Allein am Samstag wurden nach Angaben der oppositionellen Lokalen Koordinierungskomitees landesweit mindestens 160 Menschen getötet, davon mindestens 33 in Aleppo. Unter den Toten waren demnach auch mehr als 20 Kinder.
Rebellen fordern Waffen
Der Präsident des oppositionellen Syrischen Nationalrats (SNC), Abdel Basset Sajda, forderte befreundete Staaten auf, die FSA mit Waffen zu versorgen. Abdel Basset Sajda, rief befreundete und "Bruderstaaten" auf, die Rebellen mit Waffen zu versorgen. "Wir wollen Waffen, die die Panzer und Kampfflugzeuge stoppen würden", sagte der im Exil lebende SNC-Chef in Abu Dhabi.
Sajda kündigte an, seine Organisation wolle mit Rebellengruppen vor Ort über die Bildung einer Übergangsregierung beraten. Derzeit werde über die Idee einer solchen Regierung nachgedacht, "und wir werden alle Truppen in Syrien kontaktieren". Eine Übergangsregierung müsse von einer "patriotischen, ehrlichen" Persönlichkeit geführt werden, die "seit Beginn der syrischen Revolution" für diese eintrete.
Der SNC-Chef forderte ferner, Syriens Staatschef Baschar al-Assad müsse wegen der "Massaker" an Syrern vor Gericht vor Verantwortung gezogen werden. Es handele sich um einen "Verbrecher", der nicht Asyl in einem anderen Land erhalten dürfe.
Syrien und Iran: Israel ist Provokateur
Die bedrängte syrische Führung sucht derweil Beistand im Iran. Assads Außenminister Walid al-Muallem hielt sich zu Gesprächen mit dem iranischen Außenminister Ali-Akbar Salehi und Said Dschalili vom Nationalen Sicherheitsrat in Teheran auf. Teheran hat sich bereiterklärt, jeden Friedensplan für Syrien zu unterstützen, bei dem Assad an der Macht bleibt.
Beide Länder sprechen von einer Verschwörung Israels. Das Ziel sei der Sturz der Regierung in Damaskus, so die Außenminister. "Das zionistische Regime (Israel) agiert als Drahtzieher und führender Provokateur dieses Komplotts", erklärte Al-Muallem. Sein Land sei entschlossen, die "bewaffneten Terroristen" zu besiegen - "auch die in Aleppo".
Quelle: ntv.de, rts/AFP/dpa