"Schleusen des Hasses geöffnet" Forscher beklagen Antisemitismus im Osten
09.03.2018, 19:41 Uhr
Julius Schoeps ist Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien. Er fordert Antisemitismusbeauftragte auf Länderebene.
(Foto: picture alliance / Wolfgang Borr)
Eine 40-köpfige Expertenrunde kommt zu dem Schluss, dass die antisemitischen Tendenzen im Osten Deutschlands zunehmen. Um dem entgegenzuwirken, empfehlen die besorgten Wissenschaftler verschiedene Maßnahmen.
Forscher beklagen einen zunehmenden Antisemitismus im Osten Deutschlands. "Wir sind alle irritiert über die Zunahme antisemitischer Vorfälle", sagte der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien, Julius Schoeps. Er äußerte sich nach einem Workshop mit 40 Experten, darunter auch Vertreter von jüdischen Gemeinden und den Ländern. Organisiert worden war das Treffen in Potsdam vom Zentrum und der F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz.
Auch das Bundesfamilienministerium war einbezogen worden. Schoeps forderte die Berufung von Antisemitismusbeauftragten in allen Bundesländern. Bisher würden in dieser Frage die Ansprechpartner fehlen. Der Bundestag hatte im Januar die Bundesregierung aufgefordert, einen Antisemitismusbeauftragten auf Bundesebene zu berufen. Darüber hinaus seien aber auch Beauftragte in den Ländern wichtig, sagte Schoeps.
Neue Zahlen zum Ausmaß des Antisemitismus wurden auf dem Workshop nicht vorgelegt, allerdings schilderten Teilnehmer ihre Eindrücke. "Antisemitismus hat in allen gesellschaftlichen Bereichen zugenommen - bis weit in die Mitte der Gesellschaft", sagte Susanne Krause-Hinrichs, Geschäftsführerin der F.C. Flick Stiftung. An vielen Stellen müsse intensiv gearbeitet werden, damit die Stimmung in der Gesellschaft nicht kippe.
"Große Unkenntnis über jüdisches Leben"
Investitionen in Bildung seien zentral, um antisemitischen Tendenzen entgegenzuwirken, urteilten die Experten. Es gebe sowohl bei Lehrern als auch Schülern eine große Unkenntnis über Juden, jüdisches Leben und den Staat Israel, sagte Krause-Hinrichs. Auch die Polizei müsse besser geschult werden im Umgang mit antisemitischen Straftaten. "Zentral ist Schulung, Weiterbildung - in allen Bereichen", sagte Schoeps.
Der Wissenschaftler Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum sagte, die Agitation der im Osten besonders starken AfD habe auch den Antisemitismus befördert. "Hier sind Schleusen des Hasses bewusst geöffnet worden." Die AfD müsse in den neuen Ländern als rechtsextrem bezeichnet werden.
Quelle: ntv.de, fhe/dpa