Kolumbien Frust statt Frieden
28.12.2019, 00:01 Uhr
"Es lebe der Streik", ist auf dem Schild dieses Demonstranten in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá zu lesen.
(Foto: REUTERS)
Karibik, Kokain, Krieg - Kolumbien war international sehr lange klar definiert. Seit vor drei Jahren der Friedensvertrag mit der linken Farc-Guerilla unterzeichnet wurde, ist vieles in Bewegung geraten. Im November rief ein breites soziales Bündnis zu einem ersten Generalstreik auf, dem ersten seit vierzig Jahren, und Hunderttausende Menschen gingen landesweit auf die Straßen. Seither sind mehrere Menschen umgekommen und Hunderte verletzt worden. Die Mehrzahl der Proteste ist allerdings friedlich geblieben, mancherorts gerieten sie zu Straßenfesten mit Livemusik.
Die Demonstrationen werden angeführt von einem breiten zivilen Bündnis, das über ein Streikkomitee Verhandlungen mit der Regierung führt. Die Kolumbianer sind aus unterschiedlichen Gründen unzufrieden mit ihrem konservativen Präsidenten Iván Duque. Die Demonstranten fordern unter anderem, dass die Regierung das Abkommen mit den Farc einhält. Da Duque die Vereinbarungen immer wieder einseitig aufweicht oder die Umsetzung gar blockiert, ist der Frieden bislang Fiktion. Teile der Guerilla sind bereits in den bewaffneten Kampf zurückgekehrt; darunter auch der Kommandeur und ehemalige Verhandlungsführer Ivan Márquez.
Ende August etwa flog die kolumbianische Armee in der südlichen Region Caquetá einen Kampfeinsatz gegen die Farc. Mit Autorisierung von ganz oben bombardierte das Militär ein Guerilla-Lager und tötete dabei mindestens acht Kinder. Duque sprach danach von einem "fehlerlosen Einsatz". Im Oktober kam die Details ans Licht, es gab einen öffentlichen Aufschrei. Es ist zudem nur ein Beispiel dafür, dass die ländlichen Gegenden des Landes mitnichten friedlicher geworden sind; im Gegenteil, mehr Menschen als zuvor werden umgebracht. Andere bewaffnete Gruppen wie die linke ELN-Guerilla oder der Clan Úsuga um den berüchtigten Drogenboss Otoniel sind in das Machtvakuum gestoßen, dass die staatlichen Kräfte nicht wie versprochen gefüllt haben.
Die Menschen sind aber auch unzufrieden mit dem privatisierten Bildungssystem, dass sich viele nicht leisten können. Am deutlichsten wird dies bei den Universitäten: Nur neun Prozent der Kinder aus den ärmsten Familien verfolgen einen akademischen Abschluss, bei den reichsten sind es 53 Prozent. Als dann noch Regierungspläne bekannt wurden, das Rentenalter anzuheben und den Mindestlohn zu senken, hatten die Kolumbianer genug. Im Oktober verlor Duques Partei Centro Democrático die Kommunalwahlen in der Hauptstadt Bogotá, auch in Cali und sogar in Medellín, die bislang als Trutzburg der Rechten um Ex-Präsident Álvaro Uribe galt.
Zum Ende des Jahres äußerten sich nur 11 Prozent der Kolumbianer optimistisch über die Zukunft. Die Unzufriedenheit mit Duque verdoppelte sich fast von 37 auf 70 Prozent. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, bereits gegen die Regierung demonstriert zu haben. Duque muss wohl Zugeständnisse machen.
(Stand: 15. Dezember 2019)
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Quelle: ntv.de, rpe