Kehrtwende in der Klimapolitik Grüne wollen CO2-Speicherung eine Chance in Europa geben
14.09.2023, 10:43 Uhr Artikel anhören
In China wird die CCS-Technologie schon umfassender genutzt.
(Foto: picture alliance / Xinhua News Agency)
Im Europawahlkampf 2019 wollen die Grünen noch nichts vom Speichern von CO2 wissen, sie warnen sogar vor Risiken der Technologie. Fünf Jahre später sieht das offenbar anders aus. Damit begeben sie sich auf die Linie des Weltklimarates, der glaubt, ohne CCS sei Klimaneutralität unmöglich.
Die Grünen wollen sich für die umstrittene unterirdische Speicherung von CO2 öffnen. Das geht aus dem Entwurf für das Wahlprogramm zur Europawahl 2024 hervor, über das zuerst die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Demnach will die Partei ihren Widerstand gegen die sogenannte CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) aufgeben und deren Einsatz in bestimmten Fällen zulassen.
Es werde "in einigen wenigen Branchen" auch in Zukunft noch Emissionen geben, "die schwer oder nach heutigem Stand der Technologie gar nicht zu vermeiden sind, etwa in der Zementindustrie", zitierte die "Süddeutsche" aus dem Wahlprogramm-Entwurf, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt werden soll. "In diesen Bereichen wollen wir technologische Chancen nutzen und das CO2 direkt bei der Produktion abscheiden, speichern und gegebenenfalls nutzen."
Wo nötig, solle dies sogar "aktiv gefördert werden", heißt es dort weiter. Um die Klimaziele zu erreichen, habe aber weiterhin der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas Vorrang. Die CCS-Technologie solle nur in Ausnahmen angewandt werden. Für die Klimawende wollen die Grünen laut "SZ" in ihrem Programm zur Europawahl im Mai 2024 entsprechende Infrastruktur und Gesetze vorantreiben. "Wir wollen einen europaweit einheitlichen Regelungsrahmen dafür schaffen und eine integrierte europäische Infrastruktur - inklusive gemeinsamer europäischer CO2-Speicher - entwickeln", zitierte die Zeitung aus dem Programm. Noch bei der Europawahl 2019 hatten die Grünen CCS als "Risikotechnologie" abgelehnt - "wegen der unabsehbaren Gefahren", die für Gesundheit und Umwelt drohen könnten.
Kritiker sprechen von Scheinlösung
Die sogenannte CCS-Technologie zu Abscheidung und Einlagerung von CO2 soll die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehenden Emissionen dauerhaft binden und so zum Klimaschutz beitragen. Unter Umweltschützern und Wissenschaftlern ist die Technologie umstritten.
Die Verflüssigung und Einspeicherung von CO2 ist selbst sehr energieintensiv, außerdem könnten Gefahren durch undichte Lagerstätten drohen. Darüber hinaus sehen Kritiker CCS lediglich als Scheinlösung, die das globale Grundproblem zu hoher CO2-Emissionen nicht beseitigen kann.
Inzwischen setzt auch der Weltklimarat (IPCC) auf CCS: Ohne diese Technologie lasse sich Klimaneutralität nicht erreichen. Das gelte zum einen für Branchen wie die Zementindustrie, die selbst mit noch so viel Energieeffizienz nicht CO2-neutral werden können. Zum anderen spekuliert der IPCC auf neue Möglichkeiten, der Atmosphäre Treibhausgase zu entziehen und zu speichern.
Quelle: ntv.de, als/AFP