Wenig Druck auf Arbeitslose Heil ließ 40.000 ungelernte Arbeitskräfte vom Balkan holen
20.01.2025, 17:02 Uhr Artikel anhören
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wollte die Bundesregierung sommerliche Personalengpässe unter anderem in der Gastronomie überwinden.
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Trotz Rekordarbeitslosigkeit unter Menschen ohne Berufsabschluss ließen die Arbeitsagenturen Zehntausende Jobs 2024 nicht mit ihnen, sondern mit ausländischen Arbeitskräften besetzen.
Die Bundesagentur für Arbeit hat 2024 mindestens 40.000 Arbeitskräfte ohne anerkannte Berufsqualifikation aus dem Ausland nach Deutschland kommen lassen. Das ist fast doppelt so viel wie im Frühjahr ursprünglich geplant (25.000). Das Mitte des Jahres drastisch erweiterte Anwerbe-Kontingent wurde damit "komplett ausgeschöpft", heißt es im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Auch von der ursprünglich geplanten Befristung der Beschäftigungsverhältnisse ist nicht mehr die Rede. Das geht aus Recherchen für ein Buch von RTL/ntv-Politikchef Nikolaus Blome hervor, das am Mittwoch unter dem Titel "Falsche Wahrheiten: 12 linke Glaubenssätze, die unser Land in die Irre führen" erscheint.
Parallel stieg 2024 die Zahl der ungelernten Arbeitslosen (ohne Berufsabschluss) und lag im Dezember bei gut 1,5 Millionen. Knapp 1,2 Millionen davon waren länger als ein Jahr arbeitslos. Von allen Langzeitarbeitslosen insgesamt waren 44 Prozent nicht deutsch. Das Arbeitsministerium erklärt dazu auf Anfrage: "Selbst wenn wir alle inländischen Potenziale heben, braucht es Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften. Deshalb hat die Bundesregierung mit dem Gesetz und der Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung die Zugangswege für die Erwerbsmigration nach Deutschland deutlich vereinfacht."
Tatsächlich ging die Anwerbung der ungelernten ausländischen Arbeitskräfte auf das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz zurück. Die Bundesregierung wollte damit sommerliche Personalengpässe unter anderem in der Gastronomie überwinden, weil die Arbeitsagenturen auch unter den arbeitslosen Beziehern von Bürgergeld nicht ausreichend Interessenten für diese Stellen finden. Unternehmensverbände klagen seit geraumer Zeit darüber.
Die meisten der 40.000 Arbeitskräfte kamen aus Staaten des Westbalkan. Zwei Drittel von ihnen arbeiten als Helfer, vor allem bei Zustelldiensten, auf dem Bau und in der Gastronomie. Auf Fachkräfteniveau eingestuft arbeiten die meisten als Fahrzeugführer, am Bau und als Köche. Dazu erklärt das Ministerium: "Über wenige Ausnahmen können auch Personen ohne Qualifikation zu Erwerbszwecken nach Deutschland regulär einwandern. Damit hat sie auf den Bedarf der Wirtschaft vor allem an Fachkräften, aber auch an sonstigen Arbeitskräften reagiert." Zudem stelle die Bundesagentur für Arbeit sicher, dass keine inländischen Arbeitskräfte, etwa durch Lohndumping, verdrängt würden und die Arbeitsaufnahme für Inländerinnen und Inländer erschwert werde.
Hintergrund ist die Einschätzung der Bundesagentur und des SPD-geführten Arbeitsministeriums, wonach einfache Tätigkeiten für ungelernte Arbeitslose lediglich "Drehtür-Jobs" seien, also minderwertig und nicht nachhaltig. Demzufolge wird gemäß den geltenden Bürgergeld-Regeln üblicherweise nur wenig Druck auf (Langzeit-)Arbeitslose ausgeübt, solche Stellen anzunehmen. Getan werden muss die Arbeit dennoch, weshalb den Unternehmen im vergangenen Jahr deutlich großzügiger als zuvor gestattet wurde, die nötigen (vielfach ungelernten) Arbeitskräfte auf dem Balkan anzuwerben.
Quelle: ntv.de