Politik

ILO kritisiert EU-Krisenmanagement Europäer leiden unter Sozialabbau

Eine Demonstration gegen Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und die Sparpolitik der EU in Vigo, Nordwest-Spanien, März 2013.

Eine Demonstration gegen Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und die Sparpolitik der EU in Vigo, Nordwest-Spanien, März 2013.

(Foto: picture alliance / dpa)

Für gut zwei Drittel der Weltbevölkerung ist soziale Sicherheit ein unerreichbarer Traum. In Europa galt dieser lange Zeit als verwirklicht. Doch auch hier erodierten die Sozialsysteme, warnt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO).

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat vor einem weiteren Abbau staatlicher Sozialleistungen in den Ländern der Europäischen Union (EU) gewarnt. Der Sozialabbau habe in Verbindung mit Arbeitslosigkeit, niedrigen Löhnen und hohen Steuern zu mehr Armut und sozialer Ausgrenzung in Europa geführt. Betroffen sei fast ein Viertel aller EU-Bürger, rund 123 Millionen Menschen – darunter viele Kinder, Frauen und Ältere, so die UN-Sonderorganisation in ihrem "Weltbericht zur sozialen Sicherung 2014/2015".

Viele Staaten hätten die Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise einfach an die Bevölkerungen weitergegeben, kritisiert die ILO. Seit mehr als fünf Jahren müssten die Menschen weniger Arbeitsplätze und niedrigere Einkommen verkraften. Die Krise sei durch diese Politik verlängert worden, meinen die ILO-Experten: "Niedrige Haushaltseinkommen haben geringeren inländischen Konsum und weniger Nachfrage zur Folge, was die wirtschaftliche Erholung verlangsamt." Die als Reaktion auf die Krise beschlossenen Anpassungsreformen hätten stattdessen die Errungenschaften des europäischen Sozialmodells untergraben. Mehrere europäische Gerichte stuften die Sozialkürzungen als nicht verfassungsgemäß ein, betont die ILO.

Als "Lehrstück in punkto Entwicklung" lobt die ILO dagegen China. Das Land habe inzwischen einen allgemeinen Deckungsgrad der Altersrenten fast erreicht und die Löhne erhöht. Auch Brasilien habe in Anbetracht der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise die soziale Sicherung und den Mindestlohn ausgeweitet. Mehr Sozialleistungen haben laut ILO durchaus einen wirtschaftlichen Nutzen: "Soziale Sicherung trägt zu wirtschaftlichem Wachstum bei, indem sie die Haushaltseinkommen und damit den Inlandskonsum stützt."

Zu zeitige Haushaltskonsolidierung

In der ersten Phase der Krise 2008/09 hätten viele Staaten diesen Grundsatz auch berücksichtigt. Ein Viertel der Maßnahmen zur Konjunkturförderung sei für die soziale Absicherung vorgesehen gewesen. In der zweiten Phase der Krise ab 2010 hätten jedoch viele Regierungen verfrüht mit Haushaltskonsolidierung und Ausgabenkürzungen begonnen.

73 Prozent der Weltbevölkerung haben laut ILO gar keinen oder nur partiellen Zugang zu sozialen Sicherungssystemen. Fehlende Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Mutterschaft oder Invalidität sind in vielen Ländern eine wesentliche Hürde für wirtschaftliche und soziale Entwicklung.

Quelle: ntv.de, rju/dpa

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