"Trump bringt Leben in Gefahr" Israelis nach Jerusalem-Votum in Sorge
07.12.2017, 15:46 Uhr
Jerusalem - Sehnsuchtsort und Streitobjekt.
(Foto: picture alliance / Atef Safadi/E)
Die USA sollen Israel aufgefordert haben, sich mit freudigen Reaktionen auf die Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt durch Präsident Trump zurückzuhalten. Eine unnötige Ermahnung, denn Freude verspüren nur wenige.
US-Präsident Donald Trump gießt unbedacht Öl ins Feuer, die arabische Welt zürnt, Israel feiert. So wird in aller Kürze über die Entscheidung des US-Präsidenten, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, berichtet. Doch bis auf den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu, der die Entscheidung seines neuen Freundes in Washington bejubelt, ist in Israel wenig Euphorie zu spüren.
1967 eroberte Israel im Sechs-Tage-Krieg Ost-Jerusalem und annektierte es später. Fotografien von israelischen Soldaten an der Klagemauer an diesem Tag gehören zu den Ikonografien des Landes, für viele Israelis ist Jerusalem die "ewige Hauptstadt" - auch wenn die internationale Gemeinschaft das anders sieht.
In den Erzählungen des palästinensischen Volkes hat man dagegen die heilige Stätte an diesem Tag verloren. Und so wird Jerusalem immer wieder zum Auslöser und Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen. Ein Kreislauf, dessen die Mehrheit der Israelis unabhängig von ihren politischen Ansichten, müde ist.
Wäre es doch Obama gewesen
"Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt ist die drohende Gewalt nicht wert – wir haben doch genug andere Probleme.", heißt es in seltener Übereinstimmung in den sozialen Medien und auf den Straßen. "Trump hat einen großen Fehler gemacht und gefährdet unser Leben."
Auch dass die Anerkennung ausgerechnet durch Donald Trump ausgesprochen wurde, gefällt vielen nicht – hätte es sein Vorgänger im Präsidentenamt, Barack Obama, getan, hätte es vielleicht mehr Zuspruch durch die internationale Gemeinschaft gegeben, zitiert die "Jerusalem Post" aus ihren Umfragen.
Die ebenfalls von Netanjahu gefeierten Erwägungen der Philippinen über einen Umzug ihrer Botschaft und die Anerkennung West-Jerusalems als Hauptstadt durch die Tschechische Republik ist den meisten nicht mal ein Schulterzucken wert.
"Jerusalem sollte niemandem gehören"
Angesichts der hochexplosiven Mischung aus religiöser Stätte und politischem Spielball wünschen sich viele, Jerusalem einfach aus der Rechnung um einen Friedensvertrag herausnehmen zu können. "Jerusalem sollte niemandem gehören, sollte nicht die Hauptstadt des Judentums, Christentums oder Islams sein. Wenn man glaubt, dass es Gott ist, der diese Stadt so einzigartig macht, dann sollte es doch eine Friedensstadt mit internationalen Status sein, unser aller Hauptstadt, nicht deine, meine oder unsere", schreibt etwa Sarah Perle von YaLa Young Leaders, eine Initiative, die arabische und jüdische Studenten zusammenbringt.
Andere sehen das pragmatischer. "Wer keine religiösen Gefühle für einen Ort entwickeln kann, sieht nur eine geteilte Stadt, die sowohl für Palästinenser als auch für Juden voller Checkpoints und Mauern ist", sagt die Autorin Lizzie Doron der "Süddeutschen Zeitung". Sie wünscht sich ein Jerusalem, in dem Demokratie gelebt wird und allen Bewohnern, ausdrücklich auch den Palästinensern, Menschenrechte zugesprochen werden. Nicht mehr. Nicht weniger.
Quelle: ntv.de