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Verhältnis "nicht gut" Israelische Offiziere: Für jeden Terroristen sterben zwei Zivilisten

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In Chan Junis werden Tote in eine Leichenhalle gebracht. Israel will Zivilisten bessere Möglichkeiten geben, sich in Sicherheit zu bringen.

In Chan Junis werden Tote in eine Leichenhalle gebracht. Israel will Zivilisten bessere Möglichkeiten geben, sich in Sicherheit zu bringen.

(Foto: dpa)

Für Israels Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen zahlt die dortige Bevölkerung einen hohen Blutzoll: Auf jeden getöteten Hamas-Angehörigen kommen zwei tote Zivilisten. Im Süden soll der Kampf präziser geführt werden, heißt es vonseiten der Armee, die inzwischen offenbar auf Chan Junis vorrückt.

Beim Militäreinsatz gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen sind nach Angaben zweier hochrangiger israelischer Offiziere für jeden getöteten Hamas-Kämpfer zwei Zivilisten getötet worden. Dieses Verhältnis sei "nicht gut", die Ausnutzung von Zivilisten als menschliche Schutzschilde sei aber Teil der "grundlegenden Strategie" der Hamas, sagte einer der beiden Militärvertreter, die nicht namentlich genannt werden wollten, in einem Gespräch mit Journalisten.

Es sei zu hoffen, dass sich die Anzahl der getöteten Zivilisten im Verhältnis zu getöteten Kämpfern im weiteren Verlauf der Kämpfe im Gazastreifen "erheblich" verbessere, sagte ein Offizier weiter. Auf Informationen angesprochen, denen zufolge 5000 Hamas-Kämpfer getötet worden seien, erklärte einer der Offiziere, diese Zahl sei "mehr oder weniger exakt". Die israelische Armee sei indes bemüht, die Zahl der zivilen Opfer so gering wie möglich zu halten, sagten die Offiziere weiter. So verwende das Militär eine hoch entwickelte Kartensoftware, die auf Grundlage von Mobiltelefonsignalen, Luftüberwachung und mithilfe künstlicher Intelligenz erfasse, wie viele Menschen sich in unterschiedlichen Gebieten des Gazastreifens aufhielten. Zudem gehe das Militär im Süden des Gazastreifens, wo sich die Bevölkerung fast verdoppelt habe, "viel genauer vor" und nehme sich "viel mehr Zeit", um die Zivilbevölkerung wirksam zu warnen.

Am Montag bescheinigte auch US-Außenministeriumssprecher Matthew Miller der israelischen Armee, nunmehr präziser vorzugehen. Es würden "deutlich genauere Evakuierungsanordnungen" vorgenommen, sagte Miller. Washington hoffe daher, dass im Süden des Gazastreifens deutlich weniger Menschen vertrieben würden als im Norden. Zuletzt hatte Israel im Krieg gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas seinen Einsatz im Gazastreifen deutlich ausgeweitet und war laut Augenzeugen unter anderem mit Dutzenden Panzern und Truppentransportern in den Süden des Gebiets vorgedrungen.

In der Nacht gab es Berichte, dass die Armee Ziele im Raum der Stadt Chan Junis unter Beschuss genommen habe. Die israelische Zeitung "Times of Israel" zitiert palästinensische Berichte, wonach es intensive Angriffe der israelischen Streitkräfte in der größten Stadt des südlichen Teils des Gazastreifens gebe. Augenzeugen hätten auch gepanzerte Mannschaftstransporter und Planierraupen in der Nähe von Chan Junis gesichtet.

Israel widerspricht WHO

Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung wächst die Kritik am Vorgehen der Armee. Hilfsorganisationen sprechen von "Horror" und "unerträglichem Leid". Keiner fühle sich sicher, wenn alle zehn Minuten Bomben fallen würden, sagte der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, James Elder, der BBC. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab an, im Süden des Gazastreifens müsse ein medizinisches Lager auf israelische Anordnung hin geräumt werden. Die Armee habe davor gewarnt, dass das Lager durch Bodenoperationen unzugänglich werde, teilte die WHO mit. Das israelische Verteidigungsministerium bestreitet das.

Die Hamas hatte bei ihrem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober mehr als 1200 Menschen getötet, darunter mindestens 850 Zivilisten. Bei den israelischen Gegenangriffen sind nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums inzwischen fast 15.900 Menschen ums Leben gekommen. Die Opferzahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen, die Vereinten Nationen und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten. Rund 240 Menschen hatte die Hamas aus Israel in den Gazastreifen verschleppt. Israel geht davon aus, dass noch 137 von ihnen in der Gewalt der Terroristen sind, darunter 15 Frauen und 2 Kinder. Einem Sprecher zufolge hat das Militär nachrichtendienstliche Hinweise zum Verbleib der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.

Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa

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