Präsident erzürnt mit NYT-Artikel Jemeniten fliehen schon nach Afrika
13.04.2015, 14:41 Uhr
Bei den Luftschlägen auf Sanaa wurde auch ein Sportstadium zerstört.
(Foto: dpa)
Unbeirrt bombardiert die arabische Militärkoalition den Jemen. Tausende sehen nur einen Ausweg: mit dem Boot nach Afrika. Derweil schwurbelt Präsident Hadi in der "New York Times" über den Krieg und erzürnt damit viele Landsleute.
Die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition hat erneut Luftangriffe auf die Huthi-Rebellen im Süden des Jemen geflogen. Kampfflugzeuge griffen am frühen Morgen Straßensperren und Stellungen der schiitischen Rebellen am Zugang zur südlichen Hafenstadt Aden an, wie Rettungskräfte und Einwohner berichteten. Die Flugzeuge bombardierten auch den Präsidentenpalast in Aden, in dem Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi nach seiner Flucht aus der Hauptstadt Sanaa gewohnt hatte, bevor er vor den Huthis weiter nach Riad floh.
Bei Kämpfen in Aden wurden laut einem Arzt zwei Zivilisten und drei Hadi-treue Kämpfer getötet. In der Nacht gab es in mehreren Vierteln Gefechte zwischen Hadi-treuen Milizen und Huthi-Rebellen sowie den mit ihnen verbündeten Anhängern des früheren Machthabers Ali Abdallah Saleh. Auch aus der südlichen Provinz Schabwa wurden Luftangriffe auf Huthi-Stellungen gemeldet. In der Küstenstadt Naschima übernahmen sunnitische Stammeskämpfer eine Militärbasis.
Flüchtlingswelle nach Afrika
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat sich auf eine große Anzahl von Flüchtlingen eingestellt, die mit Booten versuchen könnten, nach Afrika überzusetzen. Die Schätzungen gehen bis zu 130.000 Menschen. Dabei sind die nahegelegenen afrikanischen Staaten alles andere als Horte der Sicherheit: Am anderen Ufer des Roten Meeres befinden sich Puntland, Dschibuti, Somalia, Eritrea und Äthiopien. Aus diesen Ländern stammten bisher die Armutsflüchtlinge, die im Jemen als Wachmänner, Hausangestellte arbeiteten.
Ein Einwohner von Aden berichtete nach den jüngsten saudischen Luftangriffen von einem "massiven Exodus" von Familien aus der Hafenstadt. Schulen, Universitäten und Unternehmen seien geschlossen, viele Angestellte seien entlassen worden, weil sie nicht mehr bezahlt werden könnten. Nach Angaben von Hilfsorganisationen fehlt es der verbliebenen Bevölkerung an allem, vorwiegend aber an Nahrung. Tausende einheimische und ausländische Bewohner sind bereits aus der Stadt geflohen.
Hadi schreibt in der "New York Times"
Während das ärmste arabische Land immer tiefer in den Krieg gleitet, befindet sich der Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi im Exil in Saudi-Arabien. Mit einem Gastbeitrag für die "New York Times" zog er sich nun den Zorn vieler seiner Landleute zu. In dem Artikel erklärt Hadi seine Sicht auf den Krieg in seinem Land und beschuldigt vor allem dem Iran. Der Text in dem weltbekannten Blatt rief in sozialen Netzwerken Kritik hervor. Viele - vor allem jemenitisch-stämmige - Nutzer sahen sich zu zynischen Kommentaren veranlasst.
Unter anderem schreibt Hadi: "Mein Land, der Jemen, steht unter der Besatzung radikaler Huthi-Milizen, deren Feldzug von Horror und Zerstörung vom iranischen Regime mit politischer und militärischer Unterstützung angeheizt wird, das besessen ist von (seinem Plan) regionaler Vorherrschaft." Hadi lobt in einem Atemzug die saudische Militäroperation "Sturm der Entschlossenheit", die seit ihrem Beginn vor knapp drei Wochen bereits Hunderte Zivilisten das Leben gekostet hat.
Die Kritik an Hadis Perspektive ist vernichtend. Sie reicht von der Feststellung, dass der geflohene Präsident offenbar eher Zeit für die "New York Times" als für sein Volk habe, bis hin zu der Feststellung, Hadi zeige mit seinem Text, wie abhängig er von ausländischen Mächten ist. Ein User aus dem Jemen schrieb: "Das ist politischer Selbstmord, zumindest lokal."
Rolle Irans überschätzt?
Dass der Iran die zaiditisch-schiitische Huthi-Miliz unterstützt, ist zwar wahrscheinlich. Während US-Außenminister John Kerry das Land bereits mehrmals gewarnt hat, es solle sich aus dem Jemen-Konflikt heraushalten, ist unklar, wie weit dieses Engagement tatsächlich geht. So zeigt etwa die Entsendung von Kriegsschiffen in Richtung Golf von Aden, dass der Iran keine direktere Möglichkeit auf jemenitischem Boden hat. Die auch von Kerry erwähnten Charter-Flugzeuge aus dem Iran, die in Sanaa gesichtet wurden und Waffen an Bord gehabt haben sollen, dürften indes wenig Einfluss auf das Geschehen in dem Land haben: Der Jemen ist weltweit eines der Länder mit der höchsten Schusswaffenkonzentration pro Einwohner.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, die Regierung in Teheran habe Berichte über eine angebliche Festnahme iranischer Militärberater im Jemen zurückgewiesen. Der Iran sei militärisch nicht im Jemen präsent, zitierte die Nachrichtenagentur Irna den stellvertretenden Außenminister Hossein Amir Abdollahian. Lokale Milizionäre in der jemenitischen Hafenstadt Aden hatten am Tag zuvor gesagt, sie hätten zwei iranische Offiziere gefangen genommen. Diese hätten die schiitischen Huthi-Rebellen beraten.
Der Krieg wird auch als Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran gesehen. Allerdings behauptete der saudische Außenminister Saud al-Faisal am Wochenende, sein Land befinde sich nicht im Krieg mit dem Iran. Das berichtet "Al-Arabiya" online. Allerdings hätte der Iran im Jemen trotzdem nichts zu suchen im Gegensatz zu Saudi-Arabien, das von Präsident Hadi offiziell um Hilfe angerufen worden sei.
Al-Kaida wird profitieren
Klar ist indes, dass die saudische Koalition massiv von den USA und Großbritannien unterstützt wird. Dem britischen "Independent" zufolge muss die britische Regierung jetzt schon untersuchen, ob Kampfjets aus eigener Fertigung bei Angriffen beteiligt waren, denen Zivilisten zum Opfer fielen.
Der "Independent" wies schon vergangene Woche darauf hin, dass der Konflikt "uns" im Westen auch noch aus drei anderen Gründen interessieren sollte: "Erstens tötet der Feldzug (der Saudis) viele unschuldige Zivilisten und verschlimmert eine ernste, schon vorher existente humanitäre Krise. Zweitens ist die Opposition gegen ihn im Jemen so verbreitet, dass sogar Gegner der Huthis diese gegen die Militärkoalition unterstützen. Und drittens (...) könnten die Luftangriffe ein Vakuum für Extremistengruppen wie Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel erzeugen, was diese auch schon nutzen."
Quelle: ntv.de, mit AFP