Nordkoreas neuer Herrscher Kim Jong Un übernimmt die Macht
21.12.2011, 12:25 UhrWährend in Nordkorea Millionen Menschen um Militärmachthaber Kim Jong Il trauern, laufen hinter den Kulissen knallharte Machtkämpfe. Kim Jong Un erteilt bereits Befehle, die Militärs erkennen ihn als Nachfolger des "Geliebten Führers" an. Allerdings wird der politisch unerfahrene Sohn von Kim Jong Il unter Aufsicht gestellt.
Nach dem Tod von Nordkoreas Machthaber häufen sich die Anzeichen, dass sein Sohn Kim Jong Un die Führung im Staat an sich zieht. Noch vor Bekanntgabe des Todes seines Vaters habe Kim Jong Un seinen ersten Befehl an die Streitkräfte des kommunistischen Landes erteilt, berichteten südkoreanische Medien unter Berufung auf Regierungskreise in Seoul. Der noch vom Vater zum Vier-Sterne-General ernannte Kim Jong Un habe angeordnet, dass alle militärischen Einheiten die laufenden Wintermanöver verlassen und in die Stützpunkte zurückkehren.
Das sei ein konkretes Beispiel für Kim Jong Uns Kontrolle über das Militär, zitierte die nationale Nachrichtenagentur Yonhap einen Informanten in Seoul. Bisher sei der Geheimdienst davon ausgegangen, dass der knapp 30 Jahre alte Kim noch nicht die volle Kontrolle über das mächtige Militär habe.
Alle Einheiten wurden auf Anweisung Kim Jong Uns aufgerufen, den Tod von Kim zu betrauern, berichtete der südkoreanische Rundfunksender KBS. Die nordkoreanischen Staatsmedien verwendeten zudem erstmals die Bezeichnung "angesehener Kim Jong Un". Mit dieser Bezeichnung werde die Legitimität der Machtnachfolge betont.
Kein Alleinherrscher
Ein Informant der Nachrichtenagentur Reuters mit engen Verbindungen zu den Regierungen Nordkoreas und Chinas berichtete, an der Staatsführung des noch jungen würden sich die Generäle aber beteiligen. Mit der Aussicht auf eine Führungsriege sei ein Putsch nun sehr unwahrscheinlich, sagte der Informant, der zuvor wichtige Ereignisse wie den ersten Atomtest des Landes vorausgesagt hatte.
Auch werde der Herrschersohn die Macht mit einem Onkel teilen müssen. In den Medien wird bereits seit Tagen spekuliert, dass Kim Jong Uns Tante Kim Kyong Hui, die jüngere Schwester des Verstorbenen, und ihr Mann Jang Song Thaek innerhalb der Partei an Einfluss gewinnen.
Kim Jong Un war am Dienstag einer der ersten gewesen, die dem in einem m Kumsusan-Mausoleum in Pjöngjang die letzte Ehre erwiesen. Bereits dies wurde als Zeichen dafür gewertet, dass er von der Militärführung als Nachfolger des "Geliebten Führers" anerkannt wird.
Kurze Vorbereitungszeit
Der bisherige Machthaber hatte seinen Sohn zuletzt auf die dynastische Machtübernahme in dritter Generation vorbereitet. Dafür hatte Kim Jong Il Kim Jong Un den Titel eines Vier-Sterne-Generals verliehen und einen Posten im Zentralkomitee der Partei anvertraut.
Der Vorsitzende des Asan-Instituts für politische Studien in Seoul, Hahm Chaibong, hatte im "Wall Street Journal" die Durchsetzung Kim Jong Uns davon abhängig gemacht, "ob und wie schnell Kim Jong Un fähig ist, Schlüsselpositionen der Macht im Militär, in der Partei und in der Regierung einzunehmen - in dieser Reihenfolge."
Das mächtigste Entscheidungsgremium in Nordkorea ist die Nationale Verteidigungskommission, die die Kontrolle über die 1,2 Millionen Mann starke Armee ausübt. Als Vorsitzender der Kommission war Kim Jong Il oberster Machthaber des Staates. Drei Jahre vor dem Tod seines Vaters und "ewigen Präsidenten" Kim Il Sung 1994 war Kim bereits oberster Befehlshaber der Streitkräfte, die ebenso einen wichtigen Wirtschaftsfaktor im Staat bilden. Durch Waffenhandel und eigene Unternehmen verschafft sich die Volksarmee ausländische Devisen.
Kampf gegen die eigenen Bürger
Kim war nach offiziellen Angaben am Samstag im Alter von 69 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Die Nachricht wurde aber erst am Montag veröffentlicht.
Bei der organisierten Massentrauer in Pjöngjang pilgerten weiter Millionen von Nordkoreanern zu Plätzen, auf denen Traueraltäre und Porträts mit dem Samstag gestorbenen Kim Jong Il aufgestellt worden waren. Das Staatsbegräbnis für Kim soll am 28. Dezember sein. Südkorea will keine eigene Beileidsdelegation entsenden.
Südkoreas Regierung erlaubte ihren Bürgern aber, private Beileidsbekundungen an das abgeschottete Nachbarland zu schicken. Nach südkoreanischem Gesetz müssen alle Kontakte mit dem Nachbarstaat genehmigt werden. Seit ihrem Bruderkrieg von 1950 bis 1953 befinden sich beide Staaten völkerrechtlich weiter im Kriegszustand, da immer noch kein Friedensvertrag geschlossen wurde.
Nach Angaben von Regierungsbeamten und Militärs in Seoul wurden seit dem Tod Kim Jong Ils keine ungewöhnlichen Aktivitäten der nordkoreanischen Streitkräfte festgestellt. Allerdings habe die Volksarmee die Sicherheitsmaßnahmen nahe der ohnehin schwer bewachten innerkoreanischen Grenze verstärkt. Es könnte sein, dass das Regime während des Machtwechsels eigene Bürger von einem Fluchtversuch abhalten wolle, zitierte Yonhap einen Geheimdienstbeamten.
Quelle: ntv.de, rts/dpa