Politik

Todesschüsse auf Ohnesorg Kurras gesteht scheibchenweise

Der West-Berliner Polizist, der am 2. Juni 1967 Benno Ohnesorg erschossen und damit die Studentenbewegung radikalisiert hat, räumt seine SED-Mitgliedschaft ein. Befragt zu seiner Spitzeltätigkeit für die DDR-Staatssicherheit antwortete er: "Und wenn ich für die Staatssicherheit gearbeitet habe? Was macht das schon. Das ändert nichts!"

Der West-Berliner Polizist, der am 2. Juni 1967 Benno Ohnesorg erschossen und damit die Studentenbewegung radikalisiert hat, hat seine SED-Mitgliedschaft eingeräumt. "Ja, ich war in der SED, soll ich mich deswegen etwa schämen?", sagte Karl-Heinz Kurras der "Bild am Sonntag". Befragt zu seiner Spitzeltätigkeit für die DDR-Staatssicherheit antwortete er: "Und wenn ich für die Staatssicherheit gearbeitet habe? Was macht das schon. Das ändert nichts!"

In der "Bild"-Zeitung hatte er zuvor geleugnet, Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Staatssicherheitsdienstes der DDR gewesen zu sein. Zugleich bestritt er in der "BamS", von der Stasi bezahlt worden zu sein, wie es die Akten des DDR-Geheimdienstes ausweisen. "Von denen habe ich nie Geld bekommen. Das haben die sich sicher in die eigene Tasche gestopft."

"Den hätte Honecker verurteilen sollen"

Seine alte politische Gesinnung habe er "abgelegt", versicherte der 81-jährige Kurras der Zeitung weiter. Zugleich sagte er aber über den Vizechef der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, Carl-Wolfgang Holzapfel, der ihn wegen Mordes angezeigt hatte: "Den hätte Erich Honecker früher mal richtig verurteilen sollen."

Der SED-Mitgliedsausweis von Karl-Heinz Kurras. Nach dem 2. Juni 1967 wurden in das Heft keine Marken mehr geklebt.

Der SED-Mitgliedsausweis von Karl-Heinz Kurras. Nach dem 2. Juni 1967 wurden in das Heft keine Marken mehr geklebt.

(Foto: AP)

Kurras war schon früher durch menschenverachtende Bemerkungen aufgefallen: 40 Jahre nach der Tat sagte er, Fehler habe er damals keine gemacht, vielmehr hätte er "fünf, sechs Mal hinhalten sollen, dass die Fetzen geflogen wären. Wer mich angreift, wird vernichtet. Aus, Feierabend. So ist das zu sehen!" Augenzeugen hatten dagegen geschildert, dass Benno Ohnesorg für den Polizisten keine Bedrohung dargestellt hatte. Kurras wurde dennoch "aus Mangel an Beweisen" freigesprochen.

Pensionsbezüge ohne eine Dienstaufsichtsbeschwerde

Berlins früherer Regierender Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) forderte, die Beamtenrechte von Kurras zu überprüfen. "Ich halte es für einen Skandal, dass jemand wie Kurras offenbar seine Pensionsbezüge ohne eine Dienstaufsichtsbeschwerde weiter bezieht", sagte er der "Welt am Sonntag".

Kurras hatte Benno Ohnesorg am Rande einer Demonstration gegen den Schah-Besuch getötet. Nach Erkenntnissen von Forschern der Stasiunterlagen-Behörde hatte sich Kurras bereits 1955 gegenüber der Stasi verpflichtet, die West-Berliner Polizei auszuspähen.

Kritik an Birthler-Behörde

Prof. Schroeder vom Forschungsverbund kritisierte die Behörde unter Leitung von Marianne Birthler. "Um es vorsichtig zu sagen: In der Behörde wird das Material sehr zurückhaltend erschlossen und nicht nach neuesten Methoden." Die Akten sollten für eine systematische Aufarbeitung schnell an das Bundesarchiv übergeben werden. "Es ist schon merkwürdig, dass eine Behördenchefin bei einem so brisanten Fall wie Kurras nicht selbst Stellung bezieht", sagte Schroeder. Der Wissenschaftler Helmut Müller-Enbergs aus der Birthler-Behörde hatte seine brisanten Forschungsergebnisse allein an die Öffentlichkeit gebracht.

Dem Forschungsbericht zufolge wurde Kurras als IM "Otto Bohl" geführt. Er soll detaillierte Erkenntnisse über Mitarbeiter, Ausbildung, Befehle, Dienst- und Einsatzpläne bei der West-Berliner Polizei an die Stasi geliefert haben. Seine Spitzeldienste wurden laut Bericht jahrelang vergütet: 1960 beispielsweise mit 2310 D-Mark. Einen großen Teil der Zuwendungen habe er für seine umfangreiche Waffensammlung ausgegeben, heißt es weiter im Bericht. Die Stasi habe vermerkt, Kurras sei bereit gewesen, jeden Auftrag durchzuführen.

Quelle: ntv.de, dpa/hvo

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