Was passiert mit Westerwelle? Lindner will abstimmen lassen
11.05.2011, 15:37 UhrTrotz der personellen Neuaufstellung der FDP entstehen wieder Debatten um Bundesaußenminister Westerwelle. Der neue Fraktionsvize Lindner spricht sich dafür aus, über einen Verbleib des scheidenden FDP-Vorsitzenden im Außenministerium abzustimmen. Dies könne dazu dienen, den "wabernden Unmut" zu bündeln.
In der FDP ist die Debatte über den Verbleib von Außenminister Guido Westerwelle im Außenamt wieder aufgeflammt - trotz der ersten Personalentscheidungen. Der neugewählte Vizechef der Bundestagsfraktion, Martin Lindner, verlangt für den am Freitag beginnenden Parteitag eine Abstimmung über Westerwelles politische Zukunft. "Ich fordere, dass es direkt im Anschluss an die Bundesvorstandswahlen eine schriftliche Abstimmung über den Verbleib von Guido Westerwelle im Auswärtigen Amt gibt", sagte er dem "Spiegel". Sein Vorschlag diene dazu, den "wabernden Unmut über Westerwelle in einem einzigen Antrag zu kombinieren und zu bündeln". Damit werde auch verhindert, dass in einer "schmutzigen Weise" über Westerwelle gesprochen werde.
In der Parteiführung wird bei dem Delegiertentreffen ähnlich wie unlängst beim Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen mit deutlichen Unmutsbekundungen gegen Westerwelle gerechnet, der dort den Parteivorsitz an seinen designierten Nachfolger Philipp Rösler abgibt.
Generalsekretär Christian Lindner verwies auf die Generaldebatte zur Lage der FDP auf dem Parteitag. "Es wird über das gesamte Führungspersonal kritische Stimmen geben, auch über ihn." Lindner rechnet nach eigenen Worten aber nicht damit, dass die Delegierten möglichen Unmut bei der Abstimmung über den von Westerwelle erarbeiteten Antrag zum Thema Euro zum Ausdruck bringen werden.
Der frühere Innenminister Gerhart-Rudolf Baum sagte im Deutschlandfunk, Rösler sei es gelungen, das Personalgerangel zu beenden und einen Generationenwechsel herbeizuführen. Dass Westerwelle Außenminister bleibe, könne er jedoch nicht verstehen. Dieser trage die Verantwortung für den Vertrauensverlust der FDP.
Der Politikwissenschaftler Gerd Langguth sagte, ob die neue junge Garde mit ihren Neuanfang Erfolg haben werde, werde sich daran zeigen, wie sich die Mannschaft schlage und ob es ihr gelinge, mit neuen Themen und Personen "Westerwelle vergessen zu machen".
Brüderle zentraler Mann
Der künftige FDP-Vorsitzende Philipp Rösler bezeichnete die personelle Neuaufstellung seiner Partei unterdessen als wichtigen Schritt aus der Krise. Vom Rostocker Bundesparteitag müsse ein Aufbruchssignal ausgehen, sagte Rösler der ARD. Dafür seien jetzt die Voraussetzungen geschaffen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger rief ihre Partei in der "Passauer Neuen Presse" dazu auf, sich jetzt "endlich wieder auf die Inhalte zu konzentrieren".
Als zentralen Mann an seiner Seite bezeichnete Rösler den neuen Fraktionschef Rainer Brüderle. "Das wichtigste Amt in einer Regierungskoalition neben dem Parteivorsitzenden ist das Amt des Fraktionsvorsitzenden", betonte er im ZDF. "Und hier können wir die Ruhe und Gelassenheit reinbringen. Aber auch die Entschlussfreude, die Durchsetzungsfähigkeit, die in Rainer Brüderle innewohnt." Dieser habe sich mit seinem Wechsel an die Fraktionsspitze "ganz in den Dienst der Partei gestellt", so Rösler.
"Es darf keinen Altersrassismus geben"
Brüderle selbst nannte seine Kandidatur Pflichterfüllung. "Es kommt nicht darauf an, was man selbst primär als Ziel haben will, sondern dass man insgesamt erfolgreich ist", sagte Brüderle der ARD. "Ich bin seit 40 Jahren Mitglied der FDP - das ist meine zweite Familie, wenn man so will." Brüderle wies Kritik zurück, sein Wechsel an die Fraktionsspitze stehe nicht für den geforderten Generationswechsel. "Das ist doch keine Frage des Alters, es darf doch keinen Altersrassismus geben."
Gleichzeitig rief Brüderle seine Partei auf, sich wieder stärker auf ihre Kernthemen zu konzentrieren. Dazu gehöre die marktwirtschaftliche und bürgerrechtliche Orientierung, sagte Brüderle. Er räumte zugleich ein, dass sich die FDP derzeit in der Defensive befinde. Die Partei habe ein Glaubwürdigkeits- und Umsetzungsdefizit.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner erwartet, dass die FDP mit ihrer personellen Neuaufstellung einen Aufschwung erlebt. "Das Gesicht der FDP ändert sich doch tiefgreifend", sagte er im Deutschlandfunk. Neben dem "Routinier" Brüderle gebe es mit Daniel Bahr einen neuen Bundesminister, der für seine Kompetenz geschätzt werde. Er wandte sich auch gegen Spekulationen, künftig könne in der FDP wegen unterschiedlicher politischer Akzente Partei gegen Fraktion stehen. Die FDP sei die einzige Partei der sozialen Marktwirtschaft.
Zastrow kein "Quoten-Ossi"
Leutheusser-Schnarrenberger wies Befürchtungen zurück, dass sich Brüderle als Gegenpol zur neuen Parteispitze profilieren könnte. "Die FDP wird nach dem Parteitag an einem Strang ziehen. Niemand wird sich mehr auf Kosten anderer profilieren können", sagte die Ministerin der Essener WAZ-Mediengruppe. Nur weil Brüderle ein klares ordnungspolitisches Profil in die Waagschale werde, sei er kein Gegenpol.
Leutheusser, die bisherige Fraktionschefin Birgit Homburger und Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow sollen Ende der Woche in Rostock zu stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt werden. Zastrow zeigte sich bereit, in der Bundespartei Verantwortung zu übernehmen - unter Bedingungen: "Für kosmetische Reparaturen oder als Quoten-Ossi stehe ich nicht zur Verfügung", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". "Bei diesem neuen Team, beim großen Wurf mitzumachen, hat aber seinen großen Reiz."
Rösler selbst wechselt noch vor dem Parteitag an die Spitze des Wirtschaftsministeriums. Seinen Posten als Gesundheitsminister übernimmt sein bisheriger Staatssekretär Daniel Bahr. Bundespräsident Christian Wulff wird am Donnerstag die Entlassungs- und Ernennungsurkunden überreichen.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP