Diktator steht als Lügner da Lukaschenko klagt Putin sein Leid
28.05.2021, 20:23 Uhr
Lukaschenko ist Dauergast bei Russlands Präsident Putin. Viele Freunde hat der belrussische Diktator sonst nicht mehr auf der Welt.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Mit einem Aktenkoffer voll von angeblichen Beweisen gegen den verhafteten Blogger reist Lukaschenko nach Sotschi. Während Putin den Belarussen zum Baden einlädt, fällt das Lügengebäude von der Bombendrohung gegen die gekaperte Ryanair-Maschine in sich zusammen.
Als ein schweizerischer E-Mail-Dienstleister den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor aller Weltöffentlichkeit der Lüge überführt, beschwert sich der Autokrat gerade bei Kremlchef Wladimir Putin über den wachsenden Druck des Westens auf sein Land. Die EU bestrafe seine staatliche Fluglinie Belavia nach der Zwangslandung der Ryanair-Maschine, obwohl das Unternehmen nichts mit dem Vorfall zu tun habe. So klagte Lukaschenko in Sotschi am Schwarzen Meer zum Auftakt seines Treffens mit Putin. Es ist bereits das dritte in diesem Jahr.
Putin und Lukaschenko dürften hinter verschlossenen Türen tatsächlich einiges zu besprechen haben. So bestätigte der E-Mail-Dienst Protonmail im schweizerischen Genf, dass die Ryanair-Passagiermaschine bereits umgeleitet worden war, noch bevor am Sonntag eine E-Mail mit einer angeblichen Bombendrohung abgeschickt wurde. Die E-Mail, auf die sich Lukaschenko zur Begründung für die Umleitung der Maschine berief, wurde von einem Server dieses Dienstes versandt. International gab es an Lukaschenkos Behauptung zwar zuvor schon erhebliche Zweifel, doch nun ist die Lüge amtlich.
Nach der Zwangslandung in Minsk wurden ein Regierungskritiker und seine Freundin verhaftet. Die Behörden in Belarus behaupteten bislang, das Flugzeug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen sei wegen einer Bombendrohung nach Minsk umgeleitet worden. Wie sich herausstellte, war keine Bombe an Bord. Kritiker argwöhnten sofort, dass die Regierung die Drohung erfand, um des regierungskritischen Bloggers Roman Protassewitsch habhaft zu werden. "Wir können sehen, wann die E-Mail geschickt wurde, und wir können bestätigen, dass die fragliche E-Mail abgeschickt wurde, nachdem das Flugzeug umgeleitet worden war", teilte der Sprecher von Protonmail mit. "Wir haben keine glaubhaften Beweise dafür gesehen, dass die Behauptungen von Belarus der Wahrheit entsprechen."
Putin lädt Lukaschenko zum Baden ein
Putin lächelte beim Wiedersehen mit Lukaschenko und kritisierte, dass 2013 das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten zur Landung in Österreich gezwungen worden sei, ohne dass es Reaktionen der EU gegeben habe. "Damals herrschte Ruhe", meinte Putin mit Blick auf die US-Operation. Die bolivianische Maschine war damals zu einer ungeplanten Landung in Wien gezwungen worden, weil angenommen wurde, der von den USA gesuchte Ex-Geheimdienstler Edward Snowden befände sich an Bord. Snowden lebt in Russland.
Die Konfrontation zwischen Belarus und dem Westen spitzte sich zuletzt weiter zu. Die belarussische Belavia musste nach dem Flugverbot ihre Verbindungen in die EU-Staaten einstellen. Westliche Airlines umfliegen den belarussischen Luftraum. Die EU fordert die sofortige Freilassung des Bloggers Protassewitsch und seiner Freundin Sofia Sapega, die russische Staatsbürgerin ist.
Lukaschenko hatte Protassewitsch als "Terroristen" bezeichnet. Er warf dem 26-Jährigen auch vor, bei Kämpfen an der Seite ukrainischer Kämpfer im Konfliktgebiet Donbass Menschen getötet zu haben. Die Behörden der Separatistenregion Luhansk sprechen von mindestens sechs Menschen, die Protassewitsch getötet haben soll. Staatsmedien in Minsk kommentierten, dass der Aktivist deshalb und nicht wegen seiner Oppositionsarbeit festgenommen worden sei. Protassewitschs Familie weist die zu den Vorwürfen veröffentlichten Fotos als Fälschung und Teil einer Schmierenkampagne zurück.
Dokumente im Aktenkoffer für den Kremlbesuch
Lukaschenko sagte Putin nun, er habe Dokumente in seinem Aktenkoffer mitgebracht, um zu beweisen, wie versucht werde, die Lage in Belarus wie im August vergangenen Jahres zu destabilisieren. Damals hatte es Massenproteste gegen den von seinen Kritikern als "letzter Diktator Europas" bezeichneten Langzeitherrscher gegeben. Putin hatte nach der umstrittenen Präsidentenwahl Lukaschenko als Sieger anerkannt, die EU aber nicht.
Der Kremlchef betonte mehrfach, dass er seinen Kollegen unterstütze in der Konfrontation mit dem Westen. Der Handel zwischen beiden Ländern habe zugenommen, "das ist eine gute Tendenz", meinte Putin und lud Lukaschenko an der Schwarzmeerküste auch zum Baden ein.
Nach dem Umbruch: Von der Leyen verspricht Milliardenpaket
Die EU-Kommission legte einen Plan für ein drei Milliarden Euro starkes Unterstützungspaket für Belarus vor. Es soll aktiviert werden, "sobald Belarus einen demokratischen Übergang eingeleitet hat", wie die Brüsseler Behörde mitteilte. Bereits beim EU-Gipfel Anfang der Woche war das Drei-Milliarden-Paket angesprochen worden, nun sollen die EU-Staaten darüber beraten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte an die Behörden in Belarus gewandt: "Kein noch so großes Maß an Repression, Brutalität oder Zwang wird Ihrem autoritären Regime irgendeine Legitimität verschaffen." Zudem höre und sehe man den Wunsch des belarussischen Volks nach Veränderung, Demokratie und einer guten Zukunft. Sobald in dem Land ein friedlicher demokratischer Übergang eingeleitet werde, werde die EU da sein, um diesen zu begleiten, so von der Leyen. Das geplante Hilfspaket soll etwa die wirtschaftliche Erholung des Landes fördern sowie Strukturreformen unterstützen.
Quelle: ntv.de, mau/dpa