In der ZwickmühleMeloni steckt im Dilemma: Hält sie zu Trump oder zu Selenskyj?

Italiens Premierministerin Meloni wollte zwischen Europa und den USA Brücken bauen. Trump hat ihren Traum zunichte gemacht. Meloni versucht, die Situation auszusitzen und auf bessere Zeiten zu warten.
Schwer zu sagen, worüber sich Italiens rechte Regierungschefin Giorgia Meloni in diesen Tagen mehr ärgert. Über ihren Stellvertreter und Infrastrukturminister Matteo Salvini, den Vorsitzenden der Lega-Partei. Oder über US-Präsident Donald Trump. Beide haben sie in eine schwierige Lage gebracht. Was den US-Präsidenten betrifft, dürfte auch Enttäuschung mitschwingen.
Melonis Wunsch war es, sich nach dem Regierungswechsel in den USA als Vermittlerin zwischen Washington und Brüssel zu profilieren. Sie hat mit Trump mehr Schnittmengen als der Großteil der anderen europäischen Leader. Ideologisch gehören sie demselben Lager an: Als Trumps Vize J.D. Vance Europa auf der Sicherheitskonferenz in München einen Mangel an Meinungsfreiheit vorwarf, stimmte sie zu.
Zugleich hat Meloni in ihren zwei Regierungsjahren eine pragmatische Beziehung zu Brüssel aufgebaut, vor allem mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Diese Beziehung ist nützlich für Meloni, denn sie basiert auf dem Prinzip von Gabe und Gegengabe. Damit habe sie Chance ergriffen, "so etwas wie eine Brücke zwischen Amerika und einem neuen Europa zu sein", schreibt Antonio Polito, Kommentator der liberalkonservativen Tageszeitung "Corriere della Sera", einem Europa, "das nicht mehr unter der deutsch-französischen Hegemonie steht". Doch all diese Brücken seien jetzt eingestürzt.
Meloni sprachlos
Eingestürzt sind diese Brücken durch Trumps Behauptungen der vergangenen Tage, die Ukraine habe den Krieg begonnen und Präsident Wolodymyr Selenskyj sei ein "Diktator". Es scheint fast, als habe es Meloni die Sprache verschlagen. Anders kann man sich ihr Schweigen, das Fehlen einer Stellungnahme seitens der Regierungschefin Italiens, nicht erklären. Ein Schweigen, das hierzulande verblüfft, für die Ukrainer besonders schmerzhaft und enttäuschend sein muss. Alles, was man von ihr hört, ist der Wunsch, "dass man bald zu einem Frieden zwischen Russland und Ukraine kommt".
Die italienischen Medien haben in diesem Tagen zahlreiche Fotos veröffentlicht, die sie in herzlicher Umarmung mit Selenskyj zeigen. Meloni hat seit ihrem Amtsantritt keine Gelegenheit ausgelassen, dem ukrainischen Volk die Solidarität der Italiener auszusprechen und ihre gute Beziehung zu Selenskyj zur Schau zu stellen.
Durchgesickert ist bis jetzt nur, dass sie ihre Minister bei einer Kabinettsitzung gebeten haben soll, sich mit Stellungnahmen zu Trump zurückzuhalten. "Da keiner weiß, wie das endet, halten wir uns bitte bedeckt", wird sie zitiert. Zu Salvini gewandt habe sie hinzugefügt: "Bitte bringe mich nicht in Verlegenheit."
Salvini hält Trump für nobelpreiswürdig
Salvini soll genickt haben. Doch kaum hatte er das Treffen verlassen, benahm er sich wie immer: redselig. Vor laufenden Kameras sagte er: "Ich schätze Trump sehr. In ein paar Wochen hat er mehr zustande gebracht als Biden in vier Jahren." Einige Tage zuvor hatte Salvini Trump schon mit diesen Worten gelobt: "Wer es schafft, in nur wenigen Tagen Putin, Selenskyj, Netanyahu und die arabischen Staaten an einen Tisch zu bringen, der verdient den Friedensnobelpreis." Bislang ist eine solche Runde allerdings nicht zustande gekommen.
Salvini ist nicht der Einzige, der Meloni in Verlegenheit gebracht hat. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte ein Krisentreffen für den vergangenen Montag in Paris einberufen. Der Grund hierfür war das tags darauf stattfindende Treffen zwischen russischen und amerikanischen Vertretern in Riad, um über den Krieg in der Ukraine zu reden. Dass die EU nicht in die saudi-arabische Hauptstadt eingeladen war, hatte in Brüssel für Unmut gesorgt. Das Treffen in Paris sollte der Beweis für eine geschlossene europäische Front sein, auch wenn nur die sieben großen EU-Staaten vertreten waren, darunter Italien mit Meloni und Deutschland mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Weiter waren Großbritannien mit Premier Keir Starmer dabei, die Nato mit Generalsekretär Mark Rutte und die EU mit Kommissionspräsidentin von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa.
Meloni kritisierte, dass nicht alle EU-Staaten vertreten waren und, dass es nicht in Brüssel stattfand. Zwei Tage später organisierte Macron ein weiteres Treffen, an dem die anderen 19 EU-Staaten teilnahmen.
Das Treffen in Paris war aber nicht der einzige Strich durch die Rechnung, den ihr Macron machte. Ursprünglich wollte sich Meloni an diesem Samstag per Video zum Abschluss der CPAC, einer Konferenz von Konservativen und Trump-Anhängern in Washington, zuschalten. Es heißt, auch Trump solle daran teilnehmen.
Die Pazifisten in den eigenen Reihen
Doch dann kam die Nachricht, Macron und Starmer würden in der kommenden Woche in Washington bei Trump sein. Obwohl es sich um ein Treffen unter Vertretern von Nuklearmächten handelt, war auch das ein ernüchterndes Zeichen. Meloni überlegte sogar, ob sie nicht zum CPAC-Treffen fliegen sollte. Ein Wettrennen hätte allerdings wenig staatstragend ausgesehen. Sie selbst soll gesagt haben: "Es ist ja logisch, dass die Vertreter von Frankreich und Großbritannien als erste nach Washington fliegen. Sie sind im UN-Sicherheitsrat und außerdem sind sie die zwei Länder, die auch die Möglichkeit erwägen, Truppen in die Ukraine zu schicken." Italien hat diese Möglichkeit schon immer ausgeschlossen.
Die linksliberale "La Repubblica" weist darauf hin, dass Meloni nicht nur wegen ihrer politischen Herkunft in der Zwickmühle steckt. Es geht auch um die konkrete Unterstützung der Ukraine, um weitere Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung. "Doch mittlerweile hat sich die ganze Front der Pazifisten gegen höhere Militärausgaben zur Sicherheit des EU-Raums ausgesprochen", schreibt "Repubblica"-Kommentator Stefano Folli. Vizepremier Salvini zählt zu den feurigsten Verfechtern dieser Sorte Pazifismus.
In seinem Kommentar im "Corriere della Sera" mahnte Antonio Polito, Meloni sollte das "internationale Standing" nicht verspielen, das sie sich zur allseitigen Überraschung in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet hat. Schließlich habe es maßgeblich zu ihrem Beliebtheitswert unter den Italienern beigetragen. Im Moment scheint Meloni jedoch lieber in Deckung zu bleiben. Am 24. Februar, dem dritten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine, wird sie weder am G7-Gipfel teilnehmen noch zusammen mit Kommissionspräsidentin von der Leyen nach Kiew reisen.