Politik

Ethisches Dilemma Merkel für, FDP gegen PID-Verbot

Kanzlerin Merkel riskiert mit ihrem Vorstoß für ein Verbot der Gendiagnostik an Embryonen einen Koalitionskonflikt. Die FDP will ein PID-Verbot keinesfalls mittragen. Selbst in der CDU ist der Vorstoß umstritten. Es ist ein klassisches Dilemma: Beide Seiten argumentieren mit ethischen Gründen. Die einen wollen Selektion verhindern, die anderen Krankheiten.

Das Bild zeigt eine künstliche Befruchtung nach der ICSI-Methode - ICSI steht für Intra-Cytoplasmatische Sperma-Injektion. Dabei werden Spermien direkt in eine der Frau entnommenen Eizelle injiziert.

Das Bild zeigt eine künstliche Befruchtung nach der ICSI-Methode - ICSI steht für Intra-Cytoplasmatische Sperma-Injektion. Dabei werden Spermien direkt in eine der Frau entnommenen Eizelle injiziert.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die FDP will das von Bundeskanzlerin Angela Merkel geforderte Verbot der Präimplantationsdiagnostik an Embryonen verhindern. "Für die FDP kann ich ein striktes Verbot der PID ausschließen", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner dem "Handelsblatt". In dieser ethischen Frage ende die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin. "Wenn durch die PID Kinderwünsche erfüllt und gleichzeitig schwerste Gen-Defekte vor der Einpflanzung in die Gebärmutter verhindert werden können, dann ist das ethisch sinnvoll."

Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor ihrer Einpflanzung in den Mutterleib auf Erbkrankheiten untersucht, so dass sie aussortiert werden können. Merkel hatte sich am Samstag für ein PID-Verbot ausgesprochen. "Aus meiner Sicht sollten wir die Präimplantationsdiagnostik verbieten", sagte die CDU-Vorsitzende beim Deutschlandtag der Jungen Union in Potsdam.

PID-Befürworter auch in der Union

Allerdings gibt es auch in der CDU entschiedene Gegner dieser Position. Dazu zählt der Chef der NRW-Landesgruppe der CDU im Bundestag, Wirtschafts-Staatssekretär Peter Hintze. Dem ZDF sagte Hinzte, ein solches Verbot "wäre ein Verstoß gegen die Moral, es wäre ein Verstoß gegen die Menschenwürde, es wäre ein Verstoß gegen die humanitäre Vernunft". Dem "Spiegel" sagte er: "Ein gegen eine Frau gerichteter Implantationszwang einer schwer belasteten befruchteten Eizelle ist mit unserer Verfassungsordnung nicht vereinbar."

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hatte sich bereits kürzlich skeptisch zu einem grundsätzlichen Verbot der Tests geäußert. Sie hielte es für einen Widerspruch, einem Paar einerseits den Test zu verbieten, Spätabtreibungen bis zum neunten Monat aber unter bestimmten Umständen zuzulassen, sagte die CDU-Politikerin vor einigen Wochen.

Was ist ein schwerer Defekt?

Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Kretschmer warb für eine restriktive Zulassung der Tests. "Niemand kann wollen, dass eine vorgeburtliche Auswahl nach Augenfarbe oder Geschlecht getroffen wird, aber zur Abwehr schwerster erblich bedingter Krankheiten sollte eine medizinische Eingriffsmöglichkeit bestehen", sagte er der "Leipziger Volkszeitung".

Merkel hatte in Potsdam gesagt, sie halte es für unmöglich, eine Abgrenzung zu finden zwischen einer schwer wiegenden genetischen Krankheit und einem nicht ganz so schwer wiegenden Defekt.

Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner machte sich für ein striktes Verbot der Gentests an Embryonen ohne Ausnahmen stark: Sie lehne es ab, "dass Embryonen selektiert werden. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen: Selbst wenn man die Präimplantationsdiagnostik ganz eng begrenzt, kommt es zu einer Selektion."

FDP könnte mit Opposition stimmen

In der vergangenen Woche war deutlich geworden, dass die FDP angesichts des heftigen Widerstands in der Union notfalls eine Mehrheit mit Oppositions-Abgeordneten für eine Regelung der umstrittenen Gentests an Embryonen anstrebt. Der Ausgang einer Bundestagsabstimmung über die Gentests ist offen, da bei Entscheidungen über ethische Themen häufig der Fraktionszwang aufgehoben wird. Damit spielen die  Mehrheitsverhältnisse der Parteien keine Rolle mehr.

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(Foto: picture alliance / dpa)

Auslöser der Debatte war ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Die Karlsruher Richter hatten im Juli klargestellt, dass die Überprüfung von Embryonen auf Gendefekte und die anschließende Aussonderung von Embryonen in Deutschland zulässig ist. Diese Präimplantationsdiagnostik verstoße entgegen landläufiger Auffassung nicht gegen das Embryonenschutzgesetz, urteilte das Gericht.

Das Embryonenschutzgesetz sieht dieses Verbot nicht vor - die PID war damals in Deutschland noch nicht verfügbar. Das Gesetz verbietet lediglich die Verwendung von Embryonen zu anderen Zwecken als zur Herbeiführung einer Schwangerschaft.

Frauenarzt hatte sich selbst angezeigt

Der BGH bestätigte damit den Freispruch des Berliner Frauenarztes Matthias Bloechle. Der Mediziner hatte 2005 und 2006 bei drei Paaren die Embryonen auf Gendefekte untersucht und in Absprache mit den Eltern nur die unauffälligen eingepflanzt. In allen Fällen hatte einer der Partner genetische Belastungen aufgewiesen. Der Arzt hatte sich selbst angezeigt, um per Gericht Klarheit in der rechtlichen Grauzone schaffen zu lassen.

Bloechle rechtfertigte seine Position, da den betroffenen Frauen durch die Gentests unendliches Leid erspart werde. "Es sind totgeweihte Embryonen, Embryonen, die gar nicht lebensfähig sind, und diese Embryonen könnten allenfalls zu einer Fehlgeburt bei der betroffenen Frau führen", sagte der Arzt dem ZDF. Außerdem sei nicht einzusehen, warum ein normaler Schwangerschaftsabbruch in Deutschland erlaubt sei, die Untersuchung zur Unterscheidung zwischen totgeweihten und lebensfähigen Embryonen aber verboten sein wolle.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP

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