Politik

Islamisten kündigen Vergeltung für Giftgasangriff an Obama droht Syrien, Iran droht den USA

Während der Westen über einen möglichen Militärschlag debattiert, gehen die Kämpfe in Syrien unvermindert weiter - auch mit konventionellen Waffen.

Während der Westen über einen möglichen Militärschlag debattiert, gehen die Kämpfe in Syrien unvermindert weiter - auch mit konventionellen Waffen.

(Foto: AP)

Noch bleibt es bei einem verbalen Schlagabtausch: US-Präsident Obama kündigt eine "ernste Antwort" an, sollten sich die Vorwürfe eines Giftgaseinsatzes in Syrien bestätigen. Der Iran warnt die USA davor, diese "rote Linie" zu überschreiten. Doch auch Israel macht klar, dass es sich notfalls verteidigen werde. Derweil drohen Islamisten den syrischen Alawiten mit Vergeltung.

Der Iran hat die USA vor einem militärischen Eingreifen in Syrien gewarnt. "Wenn die Vereinigten Staaten diese rote Linie überschreiten, wird das ernste Konsequenzen für das Weiße Haus haben", sagte der stellvertretende Generalstabschef Massud Dschasajeri laut der Nachrichtenagentur Fars. Obama selbst hatte einen Giftgaseinsatz im syrischen Bürgerkrieg als "rote Linie" bezeichnet, die nicht überschritten werden dürfe.

Zuvor war bekannt geworden, dass die USA angesichts der mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätze in Syrien gemeinsam mit westlichen Partnern Möglichkeiten für ein Eingreifen in den Bürgerkrieg prüfen. Es werde über "mögliche Antworten der internationalen Gemeinschaft" nachgedacht, teilte das Weiße Haus nach einem Telefonat von US-Präsident Barack Obama mit dem britischen Premier David Cameron mit. Beide Seiten wollten sich weiter "eng abstimmen".

Obama und Cameron kündigten eine "ernste Antwort" an, sollte das Regime von Baschar al-Assad nachweislich verantwortlich für den Einsatz von Giftgas sein. Ein Sprecher der Downing Street sagte in London: "Beide sind tief besorgt über den Angriff und die sich mehrenden Anzeichen dafür, dass dies ein signifikanter Chemiewaffen-Angriff war, der vom syrischen Regime gegen sein eigenes Volk geführt wurde.". Beide hätten die entsprechenden Stellen beauftragt, "alle Optionen" für eine Antwort auszuloten.

Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hatte zuvor erklärt, dass diese Woche in von der Organisation betreuten Krankenhäusern in Syrien 3600 Menschen mit Symptomen von Nervengift behandelt wurden. Von ihnen seien 355 gestorben.

Frankreich sieht Giftgasangriff als bewiesen an

Dschasajeri warf den USA vor, den "derzeitigen Terrorkrieg" in Syrien gemeinsam mit den "reaktionären Staaten der Region" geplant zu haben, um den Widerstand gegen Israel zu schwächen. "Jene, die Öl auf das Feuer gießen, werden der Rache der Völker nicht entgehen", sagte der Armeekommandeur. Der iranische Präsident Hassan Ruhani hatte am Samstag die Giftgasangriffe in Syrien verurteilt und zugleich die internationale Gemeinschaft zur Besonnenheit aufgerufen. Der Iran steht im Konflikt auf der Seite von Präsident Baschar al-Assad, Teherans engster Verbündeter im Kampf gegen den Erzfeind Israel.

Obama hatte bisher zögerlich auf die Vorwürfe reagiert. Er will sich offenbar erst mit Verbündeten wie Premier Cameron (l.) abstimmen.

Obama hatte bisher zögerlich auf die Vorwürfe reagiert. Er will sich offenbar erst mit Verbündeten wie Premier Cameron (l.) abstimmen.

(Foto: dpa)

In den USA hatten sich zuletzt Stimmen gehäuft, die eine direkte militärische Intervention forderten. Obama scheute bisher davor zurück, unter anderem um eine Konfrontation mit Syriens Hauptverbündetem Russland zu vermeiden. Zuletzt war spekuliert worden, die westlichen Weltsicherheitsrats-Mitglieder USA, Großbritannien und Frankreich könnten mit einem Luftschlag auf die Giftgas-Angriffe reagieren.

Der französische Außenminister Laurent Fabius bekräftigte derweil seine Aussage vom Vortag: "Alles deutet auf ein Massaker mit Chemiewaffen hin und darauf, dass die schwere Verantwortung dafür auf Baschar al-Assad fällt." Die französische Regierung verstehe nicht, "dass es keine starke Reaktion der internationalen Gemeinschaft gibt, nachdem die Fakten bewiesen wurden", sagte Fabius bei einem Besuch in Jerusalem.

Die islamistische Rebellengruppe Al-Nusra-Front kündigte unterdessen Rache an der alawitischen Minderheit für die mutmaßlichen Angriffe mit Chemiewaffen an. "Die alawitischen Dörfer werden den Preis für jede chemische Rakete zahlen, die unser Volk in Damaskus getroffen hat", erklärte der Kommandeur der Front, Abu Mohammed al-Dschawlani, in einer Audiobotschaft. Die religiöse Minderheit der Alawiten steht mehrheitlich hinter Assad, der selbst Alawit ist.

"Notfalls ist unser Finger am Abzugshahn"

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete den mutmaßlichen Giftgasangriff als "furchtbare Tragödie und Verbrechen". "Unser Herz ist mit den Frauen, Kindern, Babys und Zivilisten, die auf so grausame Art durch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen Schaden erlitten haben", sagte Netanjahu in Jerusalem. "Die gefährlichsten Regimes der Welt dürfen nicht die gefährlichsten Waffen der Welt haben", sagte Netanjahu. Israel wisse seine Bürger im Notfall selbst zu verteidigen, betonte er. Man werde sich verantwortlich verhalten, aber "notfalls ist unser Finger am Abzugshahn", sagte Netanjahu.

Die israelische Justizministerin Zipi Livni betonte angesichts eines möglichen US-Militärschlags in Syrien, Israel verfolge weiterhin eine Politik der Nichteinmischung. US-Präsident Barack Obama müsse in der Frage einer militärischen Intervention in Syrien eine "sehr dramatische Entscheidung" treffen, sagte sie dem israelischen Rundfunk. Israels Staatspräsident Schimon Peres sagte derweil, die Zeit sei reif für einen internationalen Versuch, "sämtliche Chemiewaffen aus Syrien zu beseitigen".

Obama traf sich nach Angaben des Weißen Hauses zudem mit seinen führenden Sicherheitsberatern. Er habe die Geheimdienste beauftragt, "Fakten und Beweise" zusammenzutragen, sagte ein Mitarbeiter. Die Regierung habe eine Reihe von Optionen und werde den "nationalen Interessen" entsprechend handeln. Zuvor hatte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel erklärt, er habe die "Verantwortung, dem Präsidenten Optionen für alle Eventualitäten bereitzustellen". Aus US-Verteidigungskreisen verlautete zudem, dass die US-Marine ihre Präsenz im östlichen Mittelmeer verstärke.

Bereits einen Tag nach dem mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz hatte US-Außenminister John Kerry mit seinem syrischen Kollegen Walid al-Muallim telefoniert. Wie ein US-Regierungsvertreter am Samstag sagte, machte Kerry am Donnerstag "klar, dass das Regime, wenn es nichts zu verbergen hat, einen sofortigen und ungehinderten Zugang zum Ort des Geschehens hätte erlauben sollen". Weiter sagte Kerry demnach, die Führung in Damaskus hätte nicht "die betroffene Gegend weiter bombardieren, den Zugang verwehren und Beweise vernichten sollen".

"Ärzte ohne Grenzen" berichtet von Gasvergiftungen

Nach Angaben der syrischen Opposition waren am Mittwoch bei Angriffen mit Chemiewaffen in der Nähe der Hauptstadt Damaskus Hunderte Menschen getötet worden. Die Opposition machte die Truppen von Präsident Baschar al-Assad für den Einsatz verantwortlich. Am Samstag bekräftigte das Regime in Damaskus noch einmal, "niemals Chemiewaffen in Syrien eingesetzt" zu haben, "in welcher Form auch immer, flüssig oder als Gas". Die Regierung warf ihrerseits den Rebellen vor, im Nordosten der Hauptstadt Giftgas eingesetzt zu haben. Die Staatsmedien verbreiteten entsprechende Fotos und Erklärungen der Armee und beriefen sich dabei auch auf russische Satelliten-Aufnahmen.

Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) berichtete von mindestens 355 Patienten mit "neurotoxischen Symptomen", die in syrischen Krankenhäusern gestorben seien. Insgesamt seien etwa 3600 Menschen mit derlei Anzeichen in Kliniken eingeliefert worden, die die Organisation unterstützt. Die Menschen hätten unter Krämpfen, starkem Speichelfluss und Atemnot gelitten. Ihre Pupillen seien stark verengt und der Blick verschwommen gewesen. Alles deute darauf hin, dass sie einem Nervengift ausgesetzt gewesen seien. MSF wies aber darauf hin, keine Aussage über Verantwortliche treffen zu können. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London sprach von 322 Toten, darunter 54 Kindern und 82 Frauen.

Die Hohe Repräsentantin der Vereinten Nationen für Abrüstung, Angela Kane, traf unterdessen in Damaskus ein. Sie soll einen Zugang der UN-Chemiewaffeninspekteure zu den angeblich bombardierten Dörfern aushandeln. Bislang wurde den Experten, die sich wegen älterer Vorfälle bereits seit dem vergangenen Sonntag in Syrien aufhalten, mit Hinweis auf die andauernden Kämpfe nicht erlaubt, die betroffenen Bezirke zu besuchen.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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