Politik

Rajoy tritt ab Ohne Geschick und Empathie

Mariano Rajoy - vom Parlament aus dem Amt gejagt.

Mariano Rajoy - vom Parlament aus dem Amt gejagt.

(Foto: picture alliance / Francisco Sec)

Spaniens Premierminister Mariano Rajoy wird vom Parlament das Vertrauen entzogen. Es ist der unrühmliche Höhepunkt einer missglückten Amtszeit. Nun deutet alles auf Neuwahlen hin.

Die letzten beiden Tage von Mariano Rajoy als Premierminister besaßen Symbolcharakter. Der 63-Jährige war großen Teilen der Debatte im spanischen Unterhaus über seine politische Zukunft einfach ferngeblieben. Rajoy vermittelte damit den Eindruck, als ginge ihn dieses Gezerre um eine Mehrheit für ein parlamentarisches Misstrauensvotum überhaupt nichts an. Dabei stand er im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Es ging um seinen Posten. Aber vielleicht hatte der 63-Jährige geahnt, dass es diesmal keinen Ausweg mehr geben würde für ihn. Dass sich seine Gegner trotz aller Differenzen zusammenrotten und den Sozialistenführer Pedro Sanchez zum neuen Premierminister wählen würden.

Das unfreiwillige Ende bildete den unrühmlichen Höhepunkt einer Amtszeit, in der Rajoy politisches Geschick und Empathie vermissen ließ. Zugegeben übernahm er die Regierungsgeschäfte zu einem Zeitpunkt, in dem es Spanien sehr schlecht ging und die Aussichten auf Genesung der Nation am seidenen Faden hingen. 2011 war das, kurz nach Ausbruch der Euro-Krise, die dem Finanzsystem des Landes fast einen Strick gedreht hätte. Und zurecht wies Rajoy daraufhin, dass sich unter seiner Regenschaft die Lage stabilisierte. Die Wirtschaft zog wieder an, und die Zahl der Arbeitslosen ist deutlich gesunken.

Rajoy kannte die Gefahr - und ignorierte sie

Doch Rajoy wusste schon seit seinem Wahlsieg 2011, dass eine Lawine auf seine bürgerliche Volkspartei PP zurollte: ein Korruptionsprozess, der seinesgleichen sucht in der spanischen Demokratiegeschichte und in dem vergangene Woche drastische Urteile gesprochen wurden. Jahrzehntelange Haft- und millionenschwere Geldstrafen verkündete das Gericht gegen ehemalige Funktionäre sowie Freunde und Gönner der PP für ein Finanzierungssystem, das mindestens seit 1989 existiert haben musste.

Statt die Zeichen der Zeit zu erkennen und eine Strategie gegen Korruption innerhalb der eigenen Partei zu entwickeln, entschied sich der Premierminister jedoch dazu, die Vorwürfe bis zuletzt eisern herunterzuspielen und treu an der Seite seiner Parteifreunde zu verharren. Rajoy argumentierte dabei so unglaubwürdig, dass der Wahrheitsgehalt seine Zeugenaussage im Korruptionsprozess von den Richtern öffentlich angezweifelt wurde. Er selbst und die PP waren zwar nicht direkt angeklagt. Doch es wirkt im Nachhinein grob fahrlässig, dass der Parteichef annahm, man würde schon irgendwie schadlos aus der Angelegenheit herauskommen.

Neue Kräfte an den Rändern

Schon zu Beginn dieses Jahres hatten Umfragen ergeben, dass ein Großteil der Spanier der Meinung war, es sei Zeit für ihn, sich aus der Verantwortung zu verabschieden. Dabei hatten ihm die Wähler noch 2016 eine weitere Amtszeit gewährt. In einer Minderheitsregierung zwar, aber immerhin. Doch spätestens mit der Handhabe der Katalonien-Krise im vergangenen Herbst verlor Rajoy den Rückhalt. Nicht weil er den Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen rigoros eine Absage erteilte, sondern weil deutlich wurde, dass er über Jahre keine Mittel gefunden hatte, die antispanischen Schwingungen in Barcelona im Zaum zu halten, sie möglicherweise auszutarieren und frühzeitig nach Auswegen zu suchen. Jetzt haben sich die Fronten weiter verhärtet und im Katalonien-Konflikt ist man weiter von einer Einigung entfernt als je zuvor.

Rajoys Angelegenheit ist das jetzt nicht mehr. Sein Nachfolger Pedro Sanchez hat nun diesen Klotz am Bein. Und dessen Zeit als Regierungschef steht keineswegs unter einem guten Stern. Denn um Rajoy aus dem Amt zu heben, benötigte er die Stimmen ebenjener Katalanen, die Madrid zum Teufel wünschen. Stabilität ist der spanischen Politik unter diesen Bedingungen kaum gegönnt. Viele Stimmen raten deshalb dazu, dass Sanchez Neuwahlen ausrufen sollte, um den Wähler entscheiden zu lassen, wie es weitergeht, statt selbst das Ruder in die Hand zu nehmen. Sanchez kündigte bereits an, dass er genau das tun wolle. Nicht wenige Beobachter glauben aber, dass sowohl die PSOE des neuen Regierungschefs Sanchez als auch die PP ihren größten Zeiten hinter sich haben, weil neue Akteure in die Arena drängen und die politische Landschaf radikal verändern. Sanchez könnten Neuwahlen deswegen den neu errungenen Chefsitz kosten.

Denn mit Podemos und Cuidadanos haben sich links und rechts der Etablierten zwei neue Parteien im Spektrum positioniert, die einen neuen Politikstil pflegen. Einen, den Kritiker als populistisch geißeln, bei dem es vornehmlich darum gehe, Probleme und deren Ursachen lautstark zu benennen und auf die vermeintlich Schuldigen zu zeigen, aber selbst keine Lösungen anzubieten. Schon jetzt haben Podemos und Cuidadanos das Parteiensystem gehörig aufgewirbelt. Das Ende von Rajoy dürfte ihnen nur noch weiteren Auftrieb geben.

Quelle: ntv.de

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