Anwälte kündigen Berufung an Berlusconi wehrt sich
27.10.2012, 08:02 Uhr
Die italienische Justiz verurteilt den früheren italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi zu einem Jahr Haftstrafe. Doch damit will sich der gewiefte Politiker und Geschäftsmann nicht abfinden. Seine Anwälte setzen in einem Berufungsverfahren auf die Verjährung seiner Taten. Es wäre nicht das erste Urteil, dass Berlusconi so abwenden könnte.
Der frühere italienische Regierungschef Silvio Berlusconi will gegen seine Verurteilung im Prozess um Steuerbetrug und Schwarzgeldkassen vorgehen. Wenige Stunden nach Verkündung der Haftstrafe gegen den 76-Jährigen kündigten seine Anwälte Berufung an. Einen entsprechend begründeten Antrag wollen sie nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa bis zum 9. November vorlegen. Berlusconi sprach von einem "politischen Urteil".
Ein Mailänder Gericht hatte Berlusconi am Freitag zu vier Jahren Haft verurteilt. Davon wurden ihm jedoch drei Jahre erlassen, weil eine Amnestieregelung aus dem Jahr 2006, als Berlusconi Ministerpräsident war, griff. Das Gesetz war eine Maßnahme gegen die "überfüllten italienischen Gefängnisse".
Ob das Urteil in einem Berufungsverfahren überhaupt rechtskräftig werden kann, ist offen. Denn eine Verjährung der Straftaten ist nicht ausgeschlossen. Der 76-Jährige war einer von elf Angeklagten in dem bereits vor sechs Jahren begonnenen Verfahren um Berlusconis Konzern Mediaset.
Eine kette fingierter Geschäfte
Berlusconi war nach Auffassung des Gerichts in den 1990er Jahren persönlich in eine Kette fingierter Geschäfte verwickelt. Beim Verkauf von TV-Rechten des Mediaset-Konzerns seien die Kosten um Hunderte Millionen Dollar aufgebläht worden, argumentierte Staatsanwalt Fabio De Pasquale. Das Gericht sprach von einem Geldfluss in Berlusconis Kassen.

Gerichtspräsident D'Avossa und seine Beisitzerinnen bei der Verlesung des Urteils in Mailand.
(Foto: dpa)
Die Staatsanwaltschaft hatte für den 76 Jahre alten Medienzaren drei Jahre und acht Monate Haft beantragt. Das Gericht ging noch darüber hinaus und untersagte es Berlusconi überdies für fünf Jahre, öffentliche Ämter zu bekleiden. Die Verurteilten müssen zudem zehn Millionen Euro an die italienischen Steuerbehörden zahlen, entschieden die Richter.
Berlusconi hatte wie bereits in anderen Prozessen wiederholt seine Unschuld beteuert. In seiner Zeit als Ministerpräsident hatte er mit mehreren Gesetzen dafür gesorgt, dass das Mediaset-Verfahren wie auch andere Prozesse gegen ihn unterbrochen wurden. Damit rückten die ihm vorgeworfenen Straftaten näher an eine Verjährung heran.
Urteil im Ruby-Prozess vielleicht noch 2012
In Dutzenden von gerichtlichen Auseinandersetzungen erprobt, hat der 76-jährige "Cavaliere" jetzt vor allem noch den sogenannten Ruby-Prozess in Mailand am Hals. Auch in dem Verfahren könnte ein Urteil in der ersten Instanz noch vor Jahresende fallen.

Ruby soll als Minderjährige 13 Mal Sex mit Berlusconi gehabt haben. Sie nannte ihn stets "Papi".
(Foto: REUTERS)
Der Sex-Prozess wurde am selben Tag ohne prominente Zeugen fortgeführt: US-Filmstar George Clooney und seine frühere Freundin Elisabetta Canalis erschienen nicht im Mailänder Justizpalast. Beide sollten als Zeugen der Verteidigung Berlusconis in dessen Verfahren um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch aussagen. Die Staatsanwaltschaft kritisierte die Verteidigung, die Clooney zu spät geladen habe und auf Zeit spiele, um das Verfahren näher an eine Verjährung zu bringen.
Berlusconis Anwälte erhofften sich von Clooney möglicherweise die Aussage, bei Festen in einer Villa Berlusconis keine wilden Partys mit sexuellen Ausschweifungen gesehen zu haben. Laut Berlusconi ging bei seinen Partys alles mit rechten Dingen zu.
Berlusconi bleibt Abgeordneter
Erst am Mittwoch hatte der skandalumwitterte Berlusconi offiziell mitgeteilt, bei der Parlamentswahl im Frühjahr 2013 nun doch nicht noch einmal ins Rennen gehen zu wollen. Im Sommer hatte Berlusconi noch erwogen, erneut zu kandidieren, um seiner Mitte-Rechts-Partei aus einem massiven Umfragetief zu helfen.
Seinen Status als gewöhnlicher Abgeordneter will Berlusconi dagegen nicht aufgeben. Auf der Webseite seiner Partei hieß es zu seinem Verzicht auf eine Kandidatur für den Posten des Regierungschefs: Er habe zwar noch immer "ausreichend Muskeln und einen Kopf auf meinen Schultern", doch seine Rolle werde es sein zu beraten. Berlusconi-Kritiker werfen dem früheren Ministerpräsidenten vor, er wolle durch seinen Abgeordnetenstatus schlicht die Vorteile einer gewissen juristischen Immunität bewahren.
Quelle: ntv.de, ieh/dpa