Minister zu Abschüssen in Polen Pistorius: "Ich kann Moskau versichern: Die Strategie wird nicht aufgehen"
10.09.2025, 16:40 Uhr Artikel anhören
Polen schießt in der Nacht mehrere russische Drohnen ab und beruft Nato-Beratungen ein. Was passiert hier gerade? Der zuständige Minister Pistorius warnt im Bundestag vor der Bedrohung aus Russland.
So wie in der vergangenen Nacht könnte eine Eskalation aussehen: Russische Drohnen dringen in den polnischen Luftraum ein und werden abgeschossen. Was war das? Ein russischer Angriff? Ein Test? Ein Versehen? Letzteres schließt Verteidigungsminister Boris Pistorius aus. "Es ist zu einer beispiellosen Verletzung des polnischen und damit des Nato-Luftraums gekommen", sagte er am Nachmittag vor Journalisten nach einer Befragung im Bundestag.
Er sprach von einer gezielten Provokation Russlands gegenüber Polen und der Nato, die "inakzeptabel" sei. "Es ist davon auszugehen, dass es eine absichtlich durchgeführte Aktion war." Er wiederholte, was er zuvor im Plenum gesagt hatte: "Es gibt definitiv keine Anlässe, zu vermuten, dass es sich hier um eine Kurskorrektur, einen Fehler oder dergleichen handelt." Es habe sich um 19 Drohnen vom Typ Shahed oder baugleich gehandelt, die von Belarus aus gestartet seien.
Deutschland stehe an der Seite der polnischen Verbündeten. Die hatten Beratungen mit den Nato-Partnern gemäß Artikel 4 des gemeinsamen Vertrages einberufen. Dem wolle er nicht vorgreifen, sagte Pistorius. Aber eine gemeinsame Reaktion müsse klar, sehr besonnen und nicht eskalierend sein. Russland teste jeden Tag die Entschlossenheit und Solidarität der Nato, etwa im Luftraum über der Ostsee. "Ich kann Moskau versichern: Diese Strategie wird nicht aufgehen", so der SPD-Minister und Vizekanzler.
"Ständige Bedrohung durch Provokationen russischer Streitkräfte"
Zuvor hatte sich Pistorius im Bundestagsplenum Fragen von Abgeordneten aller Fraktionen gestellt. "Was uns das lehrt, ist das, worüber wir seit zwei Jahren mindestens regelmäßig reden", sagte er dort: "Dass wir eine ständige Bedrohung haben durch Provokationen russischer Streitkräfte, im baltischen Luftraum, in der Ostsee, im Wasser unter See, aber eben auch in Mitteleuropa durch hybride Angriffe oder durch solche Flüge. Wir stellen uns darauf ein."
Pistorius sagte, Deutschland sei mittlerweile der größte Unterstützer der Ukraine. "Der Zusatz 'nach den USA' kann inzwischen wegfallen. Wir sind der größte Unterstützer." Im nächsten Jahr helfe Deutschland dem von Russland angegriffenen Land mit neun Milliarden Euro, im aktuellen Jahr seien es etwas weniger. "Viel wichtiger" sei die Zusammenarbeit deutscher und europäischer Rüstungsindustrien mit der ukrainischen, "mit Blick auf gemeinsame Produktion."
Der SPD-Politiker bekräftigte, Deutschland werde die Wehrpflicht wieder einführen, wenn sich nicht genug Freiwillige zum Wehrdienst melden. Aufsteigend vom laufenden Jahr sollten 15.000 Wehrpflichtige gewonnen werden, dann pro Jahr jeweils 5000 mehr, bis es im Jahr 2029/30 insgesamt 33.000 seien. "Wenn sich diese Freiwilligenzahlen nicht bestätigen, wenn sie nicht eintreten, dann wird es diesen Mechanismus auszulösen gelten. Dann werden wir einen Kabinettsbeschluss herbeiführen", sagte er. Mit dem "Mechanismus" meinte er die Wiedereinführung der Wehrpflicht für den Fall, dass nicht ausreichend Wehrdienstleistende zur Bundeswehr kommen.
Panzerbrigade in Litauen bis Ende 2027 einsatzbereit
Die SPD hatte zuletzt gegen den Wunsch der Unionsparteien verhindert, dass konkrete Zahlen auch im Gesetzentwurf für den freiwilligen Wehrdienst stehen. Den hatte das Kabinett kürzlich auf einer Sitzung im Verteidigungsministerium verabschiedet. Pistorius zeigte sich aber sehr optimistisch, dass das gar nicht nötig sein wird. Er sehe "überhaupt keine Anzeichen dafür, dass die Freiwilligenzahlen nicht reichen werden."
Den neuen freiwilligen Wehrdienst nannte Pistorius als einen von drei "zentralen Beschlüssen", die die deutsche Verteidigungsfähigkeit wieder stärken sollten. Die anderen seien das Artikelgesetz für mehr Sicherheit in den Streitkräften vor Spionage und Cyberangriffen sowie das Gesetz zur schnelleren Beschaffung von Material. Er verwies außerdem darauf, dass die Panzerbrigade 45 in Litauen in Dienst gestellt sei. 400 Soldaten seien bereits vor Ort. Die Litauen-Brigade soll Ende 2027 einsatzbereit sein. 5000 Bundeswehrangehörige sollen dort stationiert werden.
Quelle: ntv.de, vpe