Syrien: "Sanktionen wirken nicht immer" Putin pocht auf sanfte Lösung
02.06.2012, 03:56 Uhr
Keine neue Männerfreundschaft erkennbar: Putin und Hollande.
(Foto: dpa)
Die Gräueltaten in Syrien nehmen kein Ende. Dennoch lässt sich Russlands Präsident Putin nicht zu größerem Druck auf das Regime in Damaskus bewegen. Was von seinen Antrittsbesuchen bei Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande bleibt, sind die Hoffnung auf eine politische Lösung der Krise - und eine Spitze gegen Paris.
Trotz massiver internationaler Kritik an der russischen Syrien-Politik stemmt sich Moskau weiter gegen eine Verurteilung des Assad-Regimes. Russland, Frankreich und Deutschland wollen daher bei der Lösung des Konflikts auf politische Lösungen setzen.
Der russische Präsident Wladimir Putin zweifelte nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Francois Hollande einen Erfolg schärferer UN-Sanktionen gegen Syrien an. "Sanktionen wirken nicht immer", sagte Putin. Am wichtigsten sei es, auf politischem Wege zu verhindern, dass sich der Konflikt in Syrien zu einem Bürgerkrieg entwickle.
Auch mit seiner Forderung nach einem Rücktritt Assads stieß Hollande bei Putin auf Ablehnung. Zuvor hatte Putin schon bei seinem Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Bereitschaft für weitere abgestimmte Schritte im UN-Sicherheitsrat wie etwa Sanktionen zur Erhöhung des Drucks auf Assad erkennen lassen.
Hollande sagte, die Krise in Syrien sei nur durch einen Rückzug Assads zu lösen. "Das Regime von Assad hat sich in einer Art verhalten, die weder akzeptabel noch tolerierbar ist und hat Taten zugestimmt, die es disqualifiziert", sagte der neue französische Staatschef. "Es ist keine Lösung der Krise denkbar ohne den Rückzug von Baschar al-Assad." Noch schärfere Sanktionen gegen Syrien seien ein wichtiger Aspekt einer politischen Lösung im Konflikt zwischen dem Assad-Regime und der Opposition. Insbesondere am Veto Russlands sind aber wiederholt härtere UN-Sanktionen gegen die syrische Führung gescheitert.
Assad öfter in Paris als in Moskau
Mit Blick auf moralische Vorwürfe des Westens an die Adresse Moskaus meinte Putin: "Assad hat häufiger Paris besucht als Moskau." Hollande parierte die Spitze mit einem indirekten Verweis auf seinen konservativen Vorgänger Nicolas Sarkozy: "Dafür übernehme ich keine Verantwortung." Das sei noch zu dessen Zeit gewesen. Hollande war nach seinem Wahlsieg Anfang Mai fast zeitgleich mit Putin ins Präsidentenamt eingeführt worden, das dieser jedoch schon früher innehatte.
Moskau gilt als enger Verbündeter der Regierung in Damaskus und stemmt sich bisher gegen alle Versuche, im UN-Sicherheitsrat ein härteres Vorgehen gegen Staatschef Baschar al-Assad durchzusetzen. Hollande hatte vor kurzem sogar einen Militäreinsatz unter UN-Mandat nicht ausschließen wollen und betont, er wolle bei Russland für stärkeren Druck auf Syrien werben.
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verurteilte derweil in seiner jüngsten Syrien-Resolution die Führung in Damaskus dafür, ihre Plicht zur Einstellung aller Gewaltakte verletzt zu haben. In der Resolution, die in Genf mit 41:3 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen wurde, fordert der Rat eine umfassende unabhängige Untersuchung der Bluttat und Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen. Nur Russland, China und Kuba stimmten mit Nein. Ihre UN-Botschafter kritisierten den Text als einseitige Schuldzuweisung an die Regierung in Damaskus. Der UN-Repräsentant Syriens betonte, seine Regierung trage keine Schuld an dem Massaker.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die Weltgemeinschaft zu einem entschiedeneren Vorgehen im Syrienkonflikt auf. "Wenn die eskalierende Gewalt eines zeigt, dann dass wir mutigere Schritte benötigen", sagte Ban.
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, forderte den UN-Sicherheitsrat dringend auf, "den Fall Syrien dem Internationalen Strafgerichtshof zu übertragen". Es sei die Pflicht von Staaten, die Schuldigen an derartigen Verbrechen "zu stoppen und zu bestrafen", betonte sie.
Putin: Keine Waffenlieferungen
Putin wies Vorwürfe zurück, wonach Moskau das Regime in Damaskus mit Waffenlieferungen unterstütze. Russland liefere keine Waffen an Syrien, die in einem Bürgerkrieg zum Einsatz kommen könnten, beteuerte er. Auch wenn es gute und langjährige Beziehungen zu Damaskus gebe, unterstütze Moskau keine der Konfliktparteien in Syrien.
In Syrien dreht sich indessen die Spirale der Gewalt unvermindert weiter. Ein Ultimatum, das ein Rebellenkommandeur dem Regime von Präsident Baschar al-Assad gestellt hatte, lief am Freitag ab, ohne dass die Armee ihre Angriffe auf Wohnviertel beendet hätte.
Aktivisten berichteten, am Freitag seien landesweit mindestens 26 Menschen getötet worden. Die meisten Opfer gab es den Angaben zufolge in Daria im Umland von Damaskus. Dort sollen die Regierungstruppen zehn Männer erschossen haben. Neun Leichen seien von den Sicherheitskräften fortgeschafft worden, hieß es. In der Provinz Homs sollen am Vortag zwölf Arbeiter eines Saatgut-Betriebes aus einem Bus gezerrt und in einer Kaserne umgebracht worden sein.
Tausende Menschen folgten am Freitag einem Aufruf zu Protestdemonstrationen im Gedenken an die getöteten Kinder von Al-Hula. In der syrischen Ortschaft waren vor einer Woche mehr als 100 Menschen getötet worden, darunter nach UN-Angaben 49 Kinder und 34 Frauen. Tausende Menschen flohen nach Angaben des Roten Kreuzes in Todesangst aus der Region. "Die Menschen haben alles zurückgelassen und sind um ihr Leben gerannt", sagte Marianne Gasser, die Leiterin der Syrien-Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz.
Quelle: ntv.de