Politik

Müntefering vor Rücktritt Raus aus dem Tal der Tränen

Der SPD-Chef ist zum Rücktritt bereit. "Ich habe deutlich gemacht, dass ich als Parteivorsitzender um meine Verantwortung weiß", sagt Müntefering. Sein Rücktritt sei "nah an der Wahrheit". Aussichtsreichster Nachfolger ist sein Vize Steinmeier, der offenbar intern bereits mit Rücktritt drohte, sollte sich die Parteilinke mit ihren Forderungen durchsetzen.

Glück auf: Die Zeiten Münteferings an der Spitze der SPD sind vorbei.

Glück auf: Die Zeiten Münteferings an der Spitze der SPD sind vorbei.

(Foto: dpa)

Nach dem historischen Wahldebakel bei der Bundestagswahl steht die SPD vor einem personellen Neuanfang: Einen Tag nach der Bundestagswahl signalisierte SPD-Chef Franz Müntefering erstmals seine Bereitschaft zum Rückzug vom Parteivorsitz. Als wahrscheinlicher Nachfolger gilt Frank-Walter Steinmeier, der an diesem Dienstag bereits zum neuen Vorsitzenden der Bundestagsfraktion gewählt werden soll.

Erster Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion soll der niedersächsische SPD-Abgeordnete Thomas Oppermann bleiben. Die SPD will spätestens in der übernächsten Woche die Personalplanungen für die künftige Spitze vorlegen. Diese soll auf einem Parteitag Mitte November in Dresden gewählt werden.

"Ich habe deutlich gemacht, dass ich als Parteivorsitzender um meine Verantwortung weiß", sagte Müntefering nach Gremienberatungen in Berlin. Der 69-Jährige hatte erst vor einem Jahr das Amt von seinem Vorgänger Kurt Beck übernommen. Er halte es jedoch für "völlig falsch, wegzulaufen", betonte der Müntefering. Zu den Spekulationen über seinen bevorstehenden Abschied befragt fügte er hinzu, dies sei "nah an der Wahrheit".

Drohsel forderte Rücktritt

Er teilte mit, dass es im Vorstand Rücktrittsforderungen an seine Adresse gegeben habe. "Ich habe darauf jetzt nicht reagiert", sagte der SPD-Chef. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa kamen diese zunächst von der Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel und dem Gewerkschafter Dietmar Hexel. Auch die Dortmunder Bundestagsabgeordnete Ulla Burchardt schloss sich dieser Ansicht an.

Die SPD-Gremien beraten über die Konsequenzen aus dem Wahldebakel - und die Nachfolge Münteferings.

Die SPD-Gremien beraten über die Konsequenzen aus dem Wahldebakel - und die Nachfolge Münteferings.

(Foto: dpa)

Die SPD-Landes- und Bezirksvorsitzenden beraten derzeit noch in Berlin über das weitere Vorgehen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit sagte vor Beginn, Personalfragen dürften jetzt nicht hektisch entschieden werden. Die SPD müsse sich dafür Zeit lassen.

Bericht über Steinmeiers Rücktrittsdrohung

Auch Steinmeier warnte vor personellen Schnellschüssen. Nach Angaben des "Spiegel" drohte er im Präsidium indirekt mit Rücktritt, falls die SPD beschlossene Reformen wieder rückgängig machen wolle. Dies gelte für die Rente mit 67 und Korrekturen bei den Hartz-Gesetzen.

Im SPD-Vorstand gab es deutliche Kritik an Münteferings Wahlkampfkonzept. Mehrere Teilnehmer forderten eine inhaltliche Aufarbeitung auch strittiger Themen in der Partei wie Rente mit 67 und Zukunft des Afghanistan-Einsatzes.

Forderungen nach Kurskorrektur

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) befürwortet einen neuen Kurs der Sozialdemokraten. "Die SPD muss ihre Politik sozialer und ökologischer ausrichten", sagte er der "Braunschweiger Zeitung". Die künftige schwarz-gelbe Koalition müsse sich auf eine "harte Opposition" einstellen.

Generalsekretär Hubertus Heil sprach von einer bitteren Niederlage für die SPD. Darüber werde die SPD in Ruhe sprechen, sagte Heil bei n-tv: " Jeder, der ein sozialdemokratisches Herz hat ist tief getroffen von diesem wirklich schlechten Ergebnis." Heil sei froh, dass sich Frank-Walter Steinmeier bereiterklärt habe, die Opposition zu führen. Ob sich die SPD jetzt nach Links hin öffnen wird, ließ Heil in aller Klarheit offen. "Die SPD wird sich neu aufstellen, gar keine Frage, aber ich rate hart dazu, dass wir uns auf unsere eigenen Überzeugungen konzentrieren und die nicht taktisch auf andere Parteien ausrichten."

SPD zerschlissen und zerrissen

Aus Sicht des Mainzer Parteienforschers Jürgen Falter gibt es für das Debakel der SPD drei zentrale Gründe. "Zum einen hat sie sich stärker als die CDU in der Großen Koalition zerschlissen, sie hatte einfach den Nachteil, dass sie die Kanzlerin nicht stellen konnte und damit etwas im Schatten blieb", sagte Falter im FFH. "Dann gab und gibt es in der SPD große Auseinandersetzungen über den künftigen Kurs: Wie hält man es mit den Linken?" Als dritten wichtigen Grund nannte der Politikwissenschaftler, "dass die SPD doch noch viele Enttäuschte verloren hat, die einfach ihre Partei in der Großen Koalition nicht wiederfanden".

Quelle: ntv.de, tis/dpa

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