Zwangsrekrutierung bei Moskau? Russische Sicherheitskräfte umzingeln Moschee
18.11.2023, 20:19 Uhr Artikel anhören
Junge Russen warten im Oktober auf die Abfahrt zu ihrem Wehrdienst.
(Foto: picture alliance/dpa/TASS)
Wie viele russische Soldaten Wladimir Putin bei seinem Angriff auf die Ukraine bereits verheizt hat, ist nicht genau bekannt. Doch für seine Invasion benötigt der Kremlchef ständig neuen Nachschub an Kanonenfutter für die Front. Bei Moskau wählen Sicherheitskräfte anscheinend gläubige Muslime aus.
Russische Sicherheitskräfte haben eine Razzia bei Besuchern einer Moschee in Balaschicha in der Region Moskau durchgeführt. Die unabhängige russischsprachige Onlinezeitung Novaya Gazeta Europe berichtet aus ihrem Exil in Lettland, dass bewaffnete Einheiten ohne Erkennungszeichen die Moschee am Freitag gegen 13:30 Uhr, also nach dem Ende des Freitagsgebets, umstellt hätten. Bei jedem, der die Moschee verließ, seien anschließend die Dokumente überprüft worden. Einige Gläubige wurden dem Bericht zufolge festgenommen.
Zeitgleich soll ein Sonderbus an der Moschee vorgefahren sein. Es wird vermutet, dass die festgenommenen Moscheebesucher damit zum Rekrutierungszentrum der russischen Armee gefahren wurden. Auf Nachfrage solle eine bewaffnete Sicherheitskraft angegeben haben, dass es sich bei der Razzia um eine gemeinsame Aktion des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, des Innenministeriums und der Staatsanwaltschaft handelt.
Der Imam der Moschee in Balaschicha hat laut der Novaya Gazeta Europe bestätigt, dass es am Freitag eine Razzia nach dem Freitagsgebet gab. Ihm zufolge wurden einigen Gläubigen bei der Durchsuchung angeboten, in der Armee zu dienen. Wie viele Menschen von dem Bus mitgenommen wurde, konnte er nicht sagen.
Kein Einzelfall
Dem Bericht zufolge war es in den vergangenen Tagen nicht die einzige Aktion derart in Balaschicha. Am 15. November sollen nationalistische Jugendbewegungen zusammen mit Sicherheitskräften auf einem Marktplatz der Stadt und in einer Fabrik ähnliche Razzien durchgeführt bei Migranten durchgeführt haben. Auch dort sollen mehrere Menschen festgenommen und in Busse gesetzt worden sein.
In der Stadt Kotelniki, die ebenfalls in der Oblast Moskau liegt, gab es bereits Ende Oktober eine Razzia in der örtlichen Moschee. Laut der Novaya Gazeta Europa wurden die Festgenommen noch am selben Tag zur Armee geschickt. Demnach hatte das russische Innenministerium zuvor angeordnet, 15.000 Migranten aus Russland auszuweisen oder abzuschieben. Mutmaßlich werden diese allerdings vielen Fällen als neue Rekruten dem Militär übergeben.
Nach ukrainischen Angaben sind seit Beginn der russischen Invasion mehr als 300.000 russische Soldaten bei dem Angriff auf die Ukraine verletzt oder getötet worden. Auf der Suche nach neuen Rekruten scheut der Kreml seit vielen Monaten auch nicht vor Zwangsrekrutierungen oder Rekrutierungen unter falschem Vorwand zurück: Unter anderem soll ein Schleusernetzwerk mehrere Hundert Kubaner nach Russland gelockt haben, nur um sie wenig später an die Front zu schicken. Auch Razzien, um speziell Migranten aus zentralasiatischen Ländern aufzugreifen, gehören inzwischen offenkundig zum Alltag.
Quelle: ntv.de, chr