Politik

"Nur 50 Jahre? Wir wollen 200!"Russland verbietet ukrainischen Popstars die Einreise

30.04.2022, 15:24 Uhr Bild-von-iOSMaryna Bratchyk
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Mit "Dancing Lasha Tumbai" erreichte Verka Serduchka (l.) 2007 beim Eurovision Song Contest den zweiten Platz. Jetzt bedauert sie, nicht an Putins Beerdigung teilnehmen zu können. (Foto: picture-alliance/ dpa)

In Russland ist es verboten, die Invasion in die Ukraine "Krieg" zu nennen. Wer dies außerhalb des Landes tut, muss damit rechnen, mit einem Einreiseverbot belegt zu werden. Das trifft auch ukrainische Stars, die in Russland populär sind.

Die Liste der Personen, die nicht nach Russland einreisen dürfen, wird immer länger. Grund ist in der Regel Kritik an der russischen "Sonderoperation" in der Ukraine, wie die Invasion in Russland genannt wird. In der vergangenen Woche wurden mehr als dreißig ukrainische Popstars auf die Liste gesetzt, wie die regierungsnahe russische Zeitung "Iswestija" berichtet.

Er sei stolz, auf dieser Liste zu stehen, schrieb der Musiker und Produzent Oleksiy Potapenko auf seinen Instagram- und Facebook-Seiten. Potapenko ist eine Hälfte des ukrainischen Duos "Potap und Nastya". Er und seine Kollegin Anastasia Kamenskykh sind in der Ukraine recht prominent, beide waren etwa Juroren bei "The Voice of Ukraine". Kritik hatte Potap auch an der russischen Entscheidung, ihm die Einreise für die nächsten 50 Jahre zu verbieten: "Warum so wenig? Wir wollen 200!

Ähnlich kommentierten Fans und Kollegen das Einreiseverbot gegen Potap und Nastya. "Viel Glück! Herzlichen Glückwunsch", schrieb einer. "Kann als Bonus wahrgenommen werden", ein anderer.

"Leider kann ich nicht an Putins Beerdigung teilnehmen"

Auch Andrij Danylko darf für die kommenden 50 Jahre nicht nach Russland einreisen, weil er den Überfall auf die Ukraine kritisierte. Er hatte in seiner Rolle als Kunstfigur Verka Serduchka den Abschuss des russischen Lenkwaffenkreuzers "Moskwa" gefeiert, indem er ein Bild postete, auf dem Verka eine Rakete vom Typ "Neptun" reitet, mit der die "Moskwa" nach ukrainischen Angaben abgeschossen worden war.

Danylko ist ein Star in der Ukraine und Russland: Er ist Comedian, Schauspieler und Sänger. Im Westen kennt man ihn vor allem in seiner Rolle als Verka Serduchka - die Kunstfigur einer Dame mittleren Alters.

Verka Serduchka nahm 2007 am Eurovision Song Contest in Helsinki teil. Sie holte mit dem Song "Dancing Lasha Tumbai" nicht nur den zweiten Platz, sondern erhielt auch den Ehrentitel "Miss Eurovision 2007". Der Auftritt löste damals gleich mehrere Kontroversen aus: Ein Abgeordneter der prorussischen Partei der Regionen nannte ihn eine "Schande". Der gesungene Titel des Lieds klingt zudem so ähnlich wie "Russland auf Wiedersehen", was in Russland als Unterstützung der ukrainischen Revolution in Orange von 2004 gewertet wurde und entsprechende Empörung auslöste.

Die russische Klatschseite "Starhit" berichtete, Danylko habe deprimiert auf die Liste der Einreiseverbote reagiert, weil so viele junge Künstler darauf seien. Über sein eigenes Einreiseverbot habe er sich nur kurz geärgert, weil er fast 50 Jahre lang die Gelegenheit gehabt habe, "über den Roten Platz zu gehen", zitiert die Seite einen Kommentar des 48-Jährigen.

"Ich war überall", so Danylko. "Ich war im Mausoleum [von Lenin], im Kreml, ich bin im [Olympiastadion] Luschniki aufgetreten, was soll ich da noch sehen?" Dass das Zitat noch weiter geht, wird von der russischen Seite allerdings unterschlagen: "Das einzige Problem ist, dass ich nicht an Putins Beerdigung teilnehmen kann", bedauert er.

"Ist euch eure Heimat jemals weggenommen worden?"

Der Fernsehmoderator Anton Ptushkin reagierte auf sein Einreiseverbot höchst lapidar. Er werde, kurz gesagt, keine Sendung mehr über die Wolga-Region machen können, schrieb er auf Twitter. Ptushkin ist unter anderem als Reisejournalist und DJ bekannt. In der Woche, bevor er auf die russische Liste gesetzt wurde, hatte er bei Twitter einen kurzen Film hochgeladen, auf dem er um die Lieferung schwerer Waffen für die Ukraine bittet. "Schon ein einziges Luftabwehrsystem kann hunderte Leben retten", sagt er darin.

Auf seinem YouTube-Kanal hatte er bereits Anfang März die Russen aufgefordert, nicht zu dem Krieg zu schweigen. Mit Blick auf russische Zuschauer erzählt er darin, dass er seine Heimatstadt Luhansk 2014 verlassen musste. "Ist euch eure Heimat jemals weggenommen worden?" Und er wendet sich gegen die russische Propaganda. Es sei wahrscheinlicher, Neonazis im russischen Fernsehen zu sehen als auf den Straßen von Kiew. "Die Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung und die Existenz einer faschistischen Regierung in der Ukraine sind ein Mythos und eine Lüge, die von russischen Medien verbreitet werden.

Quelle: ntv.de

Angriff auf die UkraineEurovision Song Contest