Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke SPD will einstweilige Anordnung
19.09.2010, 08:05 Uhr
Zehntausende kamen nach Berlin.
(Foto: dpa)
Der Widerstand gegen die geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke nimmt zu. Die SPD plant eine einstweilige Anordnung gegen das Gesetz und kritisiert scharf Umweltminister Röttgen. In Berlin demonstrieren Zehntausende gegen die schwarz-gelbe Atompolitik.
Die SPD will die geplante für Atomkraftwerke noch in diesem Jahr gerichtlich aufhalten lassen. "Wir wollen eine einstweilige Anordnung bekommen, um den Vollzug des Gesetzes zu stoppen", sagte der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel.
Gabriel sagte, er hätte von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) "mehr Mumm" erwartet bei der Frage der Nachrüstung von Atomkraftwerken. "Er müsste kämpfen, und zwar weniger um den CDU- Vorsitz in Nordrhein-Westfalen, sondern um die Reaktorsicherheit." Die Regierung sei den Energiekonzernen in dem Punkt viel zu stark entgegengekommen.
Entgegen ihrer Ankündigungen bremse die Regierung den Ausbau der Erneuerbaren Energien aus, so Gabriel. Es seien bisher 300.000 Arbeitsplätze in diesem Bereich entstanden, "weil die Leuten wussten, wir steigen aus der Atomenergie aus". Bis 2020 wäre ohne Laufzeitverlängerung eine Verdopplung der Jobs in der Erneuerbare- Energie-Branche auf 600.000 möglich. Den geplanten Ökoenergie-Fonds der Regierung bezeichnete Gabriel als Witz. "Dieser Fonds ist ein Mini-Fonds, das sind Peanuts." Die Regierung will den Fonds unter anderem mit dem Geld aus längeren Laufzeiten füllen.
Die Regierung will das neue Atomgesetz im Eilverfahren durch das Parlament bringen. Es soll schon zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Wegen einer fehlenden schwarz-gelben Mehrheit soll es ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen werden - daher wird das Verfassungsgericht wahrscheinlich das letzte Wort haben. Röttgens Ministerium hatte bei durchschnittlich zwölf Jahre längeren Laufzeiten Sicherheitskosten von 20 Milliarden Euro berechnet, davon ist aber derzeit keine Rede mehr. Röttgen betont aber, bei der Sicherheit werde nicht gespart und es gäbe keine Obergrenze.
Zehntausende demonstrieren
Am Samstag hatten in Berlin nach Angaben der Veranstalter rund 100.000 Menschen gegen die schwarz-gelbe Atompolitik demonstriert. Die Polizei ging in ersten Schätzungen von etwa 40.000 aus.
Das Berliner Regierungsviertel sei "nicht umzingelt, sondern geflutet" worden, erklärte die Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt. Der Protest zeige, dass die Bevölkerung "keine Klientelpolitik für Atomkonzerne auf Kosten ihrer Sicherheit" dulde, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Ausgestrahlt, Campact, BUND und Naturfreunde.
CDU greift Rot-Grün an
Die schwarz-gelbe Koalition nutzte die Proteste für Kritik an der Opposition. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf SPD und Grünen in einer Erklärung vor, "Fragen zur Zukunft der Energieversorgung und zur Endlagerung von Atommüll einfach auszublenden". Gröhe verteidigte zugleich die von der Koalition beschlossene Verlängerung von Akw-Laufzeiten. Atomkraftwerke spielten im Energiemix für eine begrenzte Zeit weiter eine wichtige Rolle, erklärte der Fraktionsvize der CDU/CSU, Michael Fuchs.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner warf den Oppositionsparteien vor, "mit den Ängsten der Menschen zu spielen". Union und FDP wollen die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um acht bis 14 Jahre verlängern. Umfragen der Institute Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen zufolge lehnen rund 60 Prozent der Bevölkerung die Regierungspläne für längere Akw-Laufzeiten ab.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts/AFP