Politik

Der Kanzler in Japan Scholz reist nach Tokio - und lobt sich ausgiebig selbst

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Scholz besuchte als erstes Land in Asien Japan und nicht China - ein Zeichen.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

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Während der Bundestag zu Hause in Berlin die Lieferung schwerer Waffen beschließt, jettet Olaf Scholz nach Japan. Der Krieg in der Ukraine verfolgt ihn aber auch dort. Japan wird gebraucht als wichtiger Verbündeter im Kampf gegen Russland und für die Klimawende.

Japan? Echt jetzt? 13 Stunden hin, 15 Stunden zurück. Um den russischen Luftraum herum. Sieben Stunden Zeitunterscheid. Drei Termine. Ein Essen mit dem japanischen Ministerpräsidenten. Eine Übernachtung. Muss das wirklich sein, Herr Scholz?

Einen "Besuch bei weit entfernten und doch so nahen Freunden" nennt der Kanzler seinen 48-Stunden-Trip ans andere Ende der Welt, während daheim in Berlin im Bundestag CDU-Fraktionschef Friedrich Merz in bewährter und bekannter Manier auf ihn einteufelt: "Zögern", "Zaudern", "Ängstlichkeit", "kein Ausdruck von Führung", "Zeichen von Schwäche". Das ganze Repertoire oppositioneller Feuerkraft eben. Der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine stimmt Merz mit seiner Fraktion dann aber doch zu. So fern - und doch so nah.

Sollte Scholz froh darüber sein, der innenpolitischen Tristesse mal entfliehen zu können, was Amtsinhaberinnen vor ihm durchaus nicht fernlag, dann kann er es an seinem ersten Tag in Japan, der erst am Nachmittag Ortszeit beginnt, jedenfalls ziemlich gut verbergen. Ankunft, Fahrt zum Palace Hotel Tokyo, und dort gleich der erste Termin. Eine Rede zur Eröffnung der Deutsch-Japanischen Wirtschaftskonferenz. Der Krieg ist hier zwar geografisch gesehen weit weg, das hindert den Kanzler aber nicht, gleich einmal die eigenen Verdienste herauszustreichen. Macht ja sonst keiner. Jedenfalls nicht ausreichend lobpreisend.

"Alles andere als selbstverständlich"

Scholz zählt auch hier noch einmal auf, was Deutschland aus seiner Sicht geleistet hat - eine ganze Menge nämlich. Die große finanzielle und humanitäre Unterstützung für die Ukraine, die weitreichenden Sanktionen, die, wie er bei anderer Gelegenheit schon mal durchblicken lässt, vor allem von der Bundesregierung vorbereitet worden seien. Der Unterstützung der NATO-Partner in Osteuropa mit deutschen Waffen, damit diese wiederum an die Ukraine abgeben können, Stichwort "Ringtausch". Und nicht zuletzt die eigenen. "In großem Umfang liefern wir Waffen in ein Kriegsgebiet. Das ist für Deutschland alles andere als selbstverständlich."

Mögen andere ihm Zaudern vorwerfen - er nennt es Besonnenheit. Klugheit. Leadership. Scholz-Politik eben. Er ist kein Marty McFly, von dem Scholz als Kino-Fan sicher schon mal gehört hat. In "Zurück in die Zukunft" muss jemand Marty nur "Feigling" nennen - schon macht er Dinge, die er lieber sein lassen sollte. Zu solch dummem Halbstarken-Verhalten neigt Scholz aus seiner Sicht nicht.

Olaf Scholz ist ein Überzeugungstäter. Er ist fest davon überzeugt, dass alles, was er macht, absolut richtig ist. "Smart" sei der deutsche Kanzler, befindet am Ende von dessen Rede ein japanischer Kollege, smart sei Scholz. Er bringe die Dinge auf den Punkt. Das, immerhin, sagt ihm zu Hause so oft keiner nach. Aber die Japaner sind bekanntlich auch ein höfliches Volk. Und die beiden japanischen Sätze, die Scholz in seine kurze Rede eingeflochten hatte, dürften auch eine gewisse Wirkung entfaltet haben. "Mina-sama, konnichiwa" lautete der erste. Ungefähr: Liebe alle, guten Tag. Der zweite hieß: "Arigatō gosai-mas!" - ein herzlicher Dank für die, wie er auf deutsch sagt, "überaus starke Solidarität".

Japan stützt Sanktionen

In der Tat zählt Japan zu den engsten Verbündeten der USA und der EU in der Ukraine-Krise. Es hat sich den Sanktionen angeschlossen, auch die Kohle-Lieferung aus Russland gestoppt. Viele starke Bündnispartner dieses Kalibers gibt es nicht auf der Welt. Partner, die der Westen nicht nur im Kampf gegen Putins Russland bräuchte, sondern auch im Bemühen um eine neue Weltordnung, um eine "andere, solidarische, kluge, nachhaltige Globalisierung" (Scholz), um gemeinsame Werte wie Menschenrecht und Demokratie.

Indien, Senegal, Südafrika wären solche Staaten, die sich noch nicht entschieden haben, wohin ihr Weg führen wird. In der UN haben sie gegen die Resolution gestimmt, die den russischen Überfall auf die Ukraine verurteilt hat. Deutschland, das derzeit die Präsidentschaft der G7-Staaten hat, und Japan, das sie übernehmen wird, wollen gemeinsam um sie werben.

Dass Scholz sich auf den weiten Weg nach Japan gemacht hat, ist im Übrigen auch ein Signal für Japans großen Nachbarn und Russland-Unterstützer China, um das der Kanzler mit seinem ersten Besuch in Asien einen großen Bogen gemacht hat. Scholzens Vorgängerin hatte China bevorzugt bereist, lange Zeit fast jedes Jahr einmal, und die Chinesen und ihre Politik relativ nachsichtig behandelt. Die unausgesprochene Botschaft lautet nun: Diese Zeiten sind vorbei.

Fast gleich alt, ähnliches Gemüt

Zumal der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida ihm gefallen müsste. Er ist ihm in einigem ähnlich. Beide sind fast gleich alt, 63 (Scholz) und 64 (Kishida) Jahre, beide noch nicht lange im Amt, etwa gleiche Körperhöhe und - jedenfalls nach erstem Augenschein - von ähnlich stoischem Gemüt.

Zudem mit ähnlichen Problemen beladen: alternde Gesellschaft, als Industrienation auf Exporte angewiesen, noch (zu) abhängig von der Energie eines Lieferanten - Russland. Und mit gemeinsamem Interesse an dringend nötiger technologischer Entwicklung, um den Umbruch zum klimaneutralen Wirtschaften zu schaffen. Beide verfolgen die Idee eines "Klimaclubs" der Nationen, die bei der Transformation vorangehen.

Dass auf beiden Seiten beim Gespräch im sogenannten "erweiterten Kreis" mit Beratern und Staatssekretären nur Männer saßen, war dagegen sicher nur ein Zufall. Alles in allem reichten die Gemeinsamkeiten jedenfalls fürs gegenseitige Duzen nach etwas besserem Kennenlernen. Olaf und Fumio - not lost in translation.

Am Ende gab Fumio Freund Olaf sogar noch etwas Handfestes mit auf dem Rückflug: Windeln und Hygieneartikel, die Japaner für die Ukraine gespendet haben. Beides wird dort nach wie vor dringend gebraucht. Um also die Eingangsfrage endlich zu beantworten: Was muss schon unbedingt sein? Geschadet hat die Reise nach Japan ganz sicher nicht. Und einem guten Zweck hat sie auch noch gedient.

Quelle: ntv.de

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