Politik

Zahlen & Daten zur "Zeitenwende" So verändert der Krieg das Alltagsleben in Deutschland

Symbol der Solidarität: Die Farben der Ukraine über dem Reichstagsgebäude, dem Sitz des deutschen Parlaments.

Symbol der Solidarität: Die Farben der Ukraine über dem Reichstagsgebäude, dem Sitz des deutschen Parlaments.

(Foto: REUTERS)

Seit einem Jahr führen die Russen Krieg gegen die gesamte Ukraine. Welche Folgen hat dies für die Deutschen? Zahlen und Daten dokumentieren umwälzende Entwicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.

Der Krieg in der Ukraine berührt Deutschland nur indirekt, führt hierzulande aber dennoch zu tiefgreifenden Veränderungen. Die Deutschen sehen sich mit neuen, harten Realitäten konfrontiert: Der russische Angriffskrieg zwingt die ganze Welt in eine neue Ära. Angebrochen ist eine Zeit, in der Frieden und Sicherheit in Europa nicht mehr selbstverständlich sind. Wie wirken sich die Konsequenzen auf das Alltagsleben in Deutschland aus?

Eine fundamentale Neuausrichtung erlebt die deutsche Energiepolitik: Die jahrzehntelang gestärkte Abhängigkeit vom russischen Erdgas ist mittlerweile Geschichte. Die Führung im Kreml setzte die Erdgaslieferungen unverhohlen als Waffe gegen den Westen ein. Die Bundesregierung musste sich binnen weniger Monate um neue Quellen für die deutsche Energieversorgung kümmern.

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Erzwungene Unabhängigkeit

Der Krieg und seine Auswirkungen haben jahrzehntealte Handelsbeziehungen gekappt: Bereits wenige Wochen nach Beginn der Invasion begannen die über das Pipeline-Netz nach Deutschland gelieferten Erdgasmengen plötzlich zu schwanken. Mitte Juni drehte Gazprom den Gashahn unter Vorwänden schrittweise ab.

Russisches Gas sollte erst wieder fließen, hieß es aus dem Kreml, wenn die westlichen Sanktionen wegfielen. Im Juli sackte die Liefermenge der Ostsee-Röhre Nord Stream 1 erstmals auf Null. Ende September zerstörten mehrere, offenbar gezielt gelegte Unterwasser-Sprengsätze drei der vier Rohrleitungen am Meeresgrund. Ein milliardenteures Infrastrukturprojekt der russischen Staatsführung liegt in Trümmern.

Stumpfe Energiewaffe

Der Versuch, die öffentliche Meinung in Deutschland über den Umweg der Energieknappheit zu beeinflussen, ist gescheitert: Die Füllstände in den deutschen Erdgasspeichern blieben im Herbst und Winter 2022/23 weitgehend stabil. Das vom Kreml verbreitete Schreckensszenario frierender, arbeitsloser Massen in Europa wurde nicht Wirklichkeit.

Stattdessen verfügt Deutschland jetzt - zwölf Monate nach Kriegsbeginn - über eine breiter aufgestellte Energieversorgung, mehrere nagelneue LNG-Terminals und einem nach Jahren des Stillstands neu belebten Solar- und Windkraftausbau. Wärmepumpen sind im Hausbau plötzlich sehr gefragt. Bei der Stromerzeugung steigt der Anteil der Erneuerbaren weiter an.

Deutschlands Einwohnerzahl wächst

Näher als in der Energiepolitik kam der Krieg über die persönlichen Schicksale der Zugewanderten nach Deutschland: Ab Februar stieg die Zahl der Schutzsuchenden schlagartig an. Millionen Menschen suchten in den ersten Kriegswochen überall in Europa nach einer neuen Bleibe.

Die kriegsbedingte Zuwanderung ließ die Einwohnerzahl deutlich steigen. Insgesamt leben derzeit rund 84,3 Millionen Menschen in Deutschland. Vor Kriegsbeginn waren es den amtlichen Angaben zufolge noch 83,2 Millionen.

"In Deutschland wurden im Jahr 2022 insgesamt rund 1,1 Millionen Zuzüge von Menschen aus der Ukraine erfasst", erklärte das Statistische Bundesamt auf Basis vorläufiger Ergebnisse. Die ukrainische Diaspora in Deutschland hat sich binnen weniger Monate mehr als versiebenfacht.

Bei der Mehrheit der Geflüchteten handelt es sich um Frauen und Kinder. Gut zwei Drittel (68 Prozent) der Zugewanderten kamen von März bis Mai 2022, also in den ersten drei Monaten nach Beginn des Angriffs.

Europa rückt zusammen

Der Anteil der Ukrainerinnen und Ukrainer an der Gesamtbevölkerung sprang durch Putins Krieg von 0,2 auf 1,2 Prozent. Ukrainische Staatsangehörige stiegen damit in Deutschland schlagartig zur zweitgrößten ausländischen Bevölkerungsgruppe auf - nach den türkischen Staatsangehörigen, die auf einen Bevölkerungsanteil von rund 1,6 Prozent kommen.

Zugleich senken die Zugezogenen den deutschen Altersschnitt. Fast ein Drittel der vom Krieg ins Ausland getriebenen Ukrainerinnen und Ukrainer ist jünger als 18 Jahre. Offen ist noch, wie sich der Ukrainer-Anteil auf das gesellschaftliche Leben langfristig auswirkt. Bisher sehen viele ukrainische Geflüchtete ihren erzwungenen Aufenthalt im Ausland wohl nur als Provisorium. Mittlerweile dauert der Krieg schon ein Jahr, und ein Ende ist noch nicht abzusehen.

Mehr Geld für Sicherheit und Freiheit

Die tiefgreifendsten Veränderungen, die der Krieg in Deutschland auslöst, sind noch weitgehend unsichtbar. Der russische Versuch, völkerrechtlich anerkannte Grenzen mit militärischer Gewalt zu verschieben, schafft aus deutscher Sicht nicht nur in der Außenpolitik neue Realitäten.

Sicher ist schon jetzt: Künftig wird anteilig mehr Steuergeld in die Beschaffung neuer Waffensysteme fließen und in die Produktion von Munition oder in die Ausbildung militärischer Kräfte zur Verteidigung. Der Angriff auf die Ukraine rückt die Sicherheit der stärksten Wirtschaftsmacht in Europa in ein neues Licht - und auch die Verpflichtungen Deutschlands im Bündnissystem der NATO-Partner.

Die russische Aggression verschiebt die Maßstäbe auch im Inneren: Der Verteidigungsetat wächst. Die "Zeitenwende"-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz und die entsprechende Beschlüsse des Bundestages stellen die Weichen. Deutschland liefert der Ukraine auch militärische Ausrüstung zur Verteidigung.

Quelle: ntv.de, mit Daten und Grafiken von Christoph Wolf und Laura Stresing

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