
Ein bewegter Tag für Söder.
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Wenn alles seinen normalen Gang geht, ruft die CDU noch diese Woche Armin Laschet zu ihrem Kanzlerkandidaten aus. Ob Söders späte Bereitschaftserklärung Ergebnis von Zaudern oder Taktieren war, ist schon egal: Er gewinnt in jedem Fall.
Markus Söder, das darf man ihm glauben, meint es ernst: Er fühlt sich bereit und geeignet, das höchste Regierungsamt der Bundesrepublik Deutschland auszufüllen. Dennoch ist seine späte Bereitschaftserklärung zur Kanzlerkandidatur eine Pseudo-Bewerbung. Denn er weiß, dass die CDU mit ziemlich hoher Sicherheit nicht ihm, dem CSU-Chef, die Kandidatur anbieten wird, sondern ihrem eigenen Parteivorsitzenden Armin Laschet. Wahrscheinlich schon am Montag, wenn das Präsidium der Christdemokraten auf Laschets Wunsch hin persönlich zusammenkommt.
Was wird der Aachener dem Gremium vorschlagen? Dem in Umfragen so deutlich führenden Söder den Vortritt zu lassen? Mit Sicherheit nicht, denn Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident verfolgt, wenn auch unausgesprochen, schon seit 13 Monaten das Ziel, selbst Bundeskanzler zu werden. Also wird Laschet von den versammelten Parteivorstandsmitgliedern und Landeschefs das Bekenntnis einfordern: Unterstützt die Parteispitze die Kanzlerkandidatur ihres Vorsitzenden oder nicht? Wenn die Runde dies bejaht - und nichts deutet auf das Gegenteil hin- ist der Drops gelutscht und Laschet ist die Spitzenkandidatur der Union nicht mehr zu nehmen.
Söder gewinnt so oder so
Söder hat auch am Sonntag wiederholt betont, dass er den Job nur wolle, wenn die große Schwester CDU ihn darum bitte. Das hat sie aber trotz Laschets schwachem Ansehen in der Bevölkerung, trotz zwei Landtagswahl-Klatschen und trotz weiter besorgniserregender Umfragewerte bis zum heutigen Tag nicht getan, von einigen Hinterbänklern abgesehen. Söder hat auf den Hilferuf der CDU gewartet, aber er ist nicht gekommen. Vielleicht käme er noch, wenn die vermeintlichen Rivalen ab heute in einen offenen Wettbewerb träten. Zumindest auf CDU-Seite aber ist das das Letzte, was Kandidat und Partei gerade wollen.
Was also soll diese späte Bereitschaftserklärung, nachdem Söder selbst es war, der über Monate das Rätselraten mit Anspielungen befeuert und Laschet mit seinen Sticheleien noch kleiner gemacht hat? Warum erklärt er sich zu einem Zeitpunkt bereit, als Laschet die Kandidatur kaum mehr zu nehmen ist? Fakt ist: Söder kann jetzt nur noch als Gewinner aus der Situation kommen. Entweder bekommt er die Kandidatur völlig überraschend zugesprochen, ohne große Intrigen zu spinnen und das eigene Image beschädigen zu müssen. Oder, damit ist zu rechnen, er steht da als großmütiger Teamplayer, der den CDU-Kanzlerkandidaten voll unterstützt zum Wohle von Partei und Nation.
Kann Söder wirklich zweite Geige?
Nebenher hat Söder demonstriert, dass er vor keiner Aufgabe zurückschreckt, und von Laschet und einem großen Teil der CDU die grundsätzliche Befähigung zur Kanzlerschaft bescheinigt bekommen. Im für die Union schlechtesten Fall verliert Laschet im Herbst diesen völlig offenen Bundestagswahlkampf. Dann wäre Söder der "Hätten-wir-bloß-ihn-genommen"-Kandidat, dem alle Möglichkeiten offenstehen. Gewinnt aber Laschet mit Unterstützung der CSU einigermaßen deutlich, wird er Bundeskanzler auch von Söders Gnaden. Der CSU-Chef kann dann weiter von München aus in Berlin mitregieren, so wie sie es schon immer am liebsten hatten in der CSU. Und wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Der 54-jährige Söder hat Zeit.
Ob es Söder an Mut oder Entschlossenheit gefehlt hat, die Kanzlerkandidatur früher und trickreicher für sich zu beanspruchen, oder ob alles nach einem Plan verlaufen ist, wird wohl genauso offenbleiben, wie die Frage, wie sehr die Kanzlerschaft Söder tatsächlich reizt. Vielleicht weiß er es nicht einmal selbst so genau. An diesem Sonntag jedenfalls kulminiert Söders monatelange Schattenkandidatur zu einem großen strategischen Sieg. Das bleibt er allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es Söder wie angekündigt gelingt, einen Kanzlerkandidaten Laschet zumindest bis zum Wahltag voll und ganz zu unterstützen. Andernfalls würden am Ende dieser Win-Win-Situation beide zu Verlierern.
Quelle: ntv.de