Besatzer rufen zur Flucht auf Steht der ukrainische Vorstoß auf Cherson bevor?
14.10.2022, 16:46 Uhr
Straßenszene am Freitag in Cherson: Den russischen Truppen in der südukrainischen Großstadt steht wohl eine Entscheidungsschlacht bevor.
(Foto: REUTERS)
Militärexperten erwarten Kiews Offensive auf die Stadt Cherson schon für die nächste Woche. Die dringenden Evakuierungsaufrufe der russischen Besatzer ordnen die ukrainischen Behörden ein wenig anders ein: Fliehen müssten jetzt vor allem Kollaborateure und Verräter.
Westliche Militärexperten rechnen damit, dass die ukrainischen Truppen möglicherweise schon in der kommenden Woche in Cherson bis zum Fluss Dnipro durchstoßen könnten. Das berichtete die "Financial Times", ohne die Quellen näher zu nennen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verkündete, er habe mit der Militärführung seines Landes "Schritte zur weiteren Befreiung der ukrainischen Gebiete skizziert".
Unter dem zunehmenden Druck der ukrainischen Gegenoffensiven riefen die russischen Besatzer im südlichen Gebiet Cherson Zivilisten zur Flucht auf. Zu ihrer eigenen Sicherheit werde den Menschen empfohlen, nach Russland auszureisen, schrieb der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef Kirill Stremoussow auf Telegram. Der von Russland installierte Verwaltungsleiter Wladimir Saldo hatte die Bevölkerung bereits am Vortag zur Flucht nach Russland aufgerufen und Moskau gebeten, bei der "Evakuierung" zu helfen. Stremoussow hatte da noch für Verwirrung gesorgt und der Anweisung seines Vorgesetzten widersprochen und hinzugefügt, die russischen Truppen würden nicht abziehen.
"Besatzer verstehen, dass sie sich nicht halten können"
Ein Vertreter des ukrainischen Regionalrates sagte, man solle nicht wie die Besatzer von Evakuierung sprechen, es sei denn, es betreffe Kollaborateure mit Russland. "Diese von Saldo angekündigte 'Evakuierung' ist eine Evakuierung für Kollaborateure und Verräter in der Region ... Sie wollen diese Kollaborateure nach Russland bringen", sagte Serhij Chlan und fügte hinzu: "Die Besatzer verstehen, dass sie sich nicht lange halten können." Dies betreffe vor allem das rechte Ufer des Dnipro und die Stadt Cherson.
Die Bewohner der Region Cherson sollen den Angaben zufolge auf die von Russland annektierte Halbinsel Krim sowie in die südrussischen Regionen Rostow, Krasnodar und Stawropol gebracht werden. Das von Russland für annektiert erklärte Gebiet Cherson im Süden der Ukraine ist seit einigen Wochen das Ziel einer Gegenoffensive der ukrainischen Armee.
Cherson zählt neben Saporischschja, Luhansk und Donezk zu den vier ukrainischen Gebieten, die Kremlchef Wladimir Putin Ende September völkerrechtswidrig annektieren ließ. Siebeneinhalb Monate nach Kriegsbeginn könnte die ukrainische Armee dort nun Beobachtern zufolge recht kurz vor ihrem nächsten großen Erfolg stehen. Mehrfach meldete Kiew in den vergangenen Wochen die Rückeroberung erster Ortschaften in Cherson.
Quelle: ntv.de, mau/dpa/rts