Politik

Ab heute geschäftsführend Steinmeier entlässt Merkel und ihre Regierung

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Kanzlerin Merkel ist nur noch geschäftsführend im Amt: Wie vom Grundgesetz vorgesehen, entlässt Bundespräsident Steinmeier die Bundesregierung nach der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags. In einer Ansprache dankt er Merkel für ihre Arbeit, ihre Regierungszeit sei "beispielgebend".

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Bundeskanzlerin Angela Merkel offiziell aus dem Amt entlassen. Im Schloss Bellevue in Berlin, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, übergab er erst Merkel und dann nacheinander den Mitgliedern ihres Kabinetts die Entlassungsurkunden.

Allerdings bedeutet das nicht, dass die Bundesregierung nicht mehr im Amt ist: Bereits am Vormittag hatte Steinmeier Merkel gebeten, die Geschäfte der Bundeskanzlerin "bis zur Ernennung einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers weiterzuführen", wie das Bundespräsidialamt mitteilte. Das Ersuchen sei aufgrund der heutigen Konstituierung des 20. Deutschen Bundestags und auf Basis von Artikel 69 Absatz 3 des Grundgesetzes erfolgt.

Dieser Grundgesetzartikel legt fest, dass die Amtszeit der Bundeskanzlerin "mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages" endet, die Amtsinhaberin jedoch "verpflichtet" ist, die Geschäfte auf Ersuchen des Bundespräsidenten bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiterzuführen. Derselbe Artikel regelt, dass dies - auf Ersuchen der Bundeskanzlerin oder des Bundespräsidenten - auch für die Ministerinnen und Minister gilt. Bis zum Amtsantritt einer neuen Bundesregierung sind Merkel und ihr Kabinett nur noch geschäftsführend im Amt.

Typisch für Merkel war ein kleiner Zwischenfall: Nachdem sie die Urkunde erhalten hatte, ging sie direkt wieder zurück zu ihrem Platz. Steinmeier bat sie zurück, damit noch Fotos gemacht werden konnten. "Mit jedem Jahr Bundeskanzler muss man länger stehenbleiben", flüsterte Merkel Steinmeier daraufhin lächelnd zu.

"Meine inneren Mechanismen sind ganz intakt"

Steinmeier hatte Merkel zuvor in einer Ansprache sehr herzlich für Ihre 16-jährige Amtszeit gedankt, "in denen Sie unser Land durch eine Zeit geführt haben, die nicht eben arm an Krisen und Verwerfungen war". Merkel habe Deutschland "Achtung, Respekt, sogar Zuneigung" in Europa und der Welt erworben.

Mit Blick auf die Corona-Krise betonte Steinmeier den besonderen Charakter jüngsten Vergangenheit: "Zu sagen, die vergangene Legislatur sei herausfordernd gewesen, trifft die Aufgaben, die es zu bewältigen galt, nicht einmal annähernd." Er erinnerte daran, dass schon der Beginn dieser Koalition "alles andere als einfach" gewesen sei; die Große Koalition war die letzte verbliebene Option, nachdem 2017 die Sondierungsgespräche zur Bildung einer Jamaika-Regierung geplatzt waren. Der Bundespräsident hob hervor, dass diese Bundesregierung "den Spaltungstendenzen in der Gesellschaft, der Verrohung und dem Hass nicht nur guten Willen entgegengesetzt" habe, sondern auch konkrete Politik. Unter anderem nannte er hier die Gesetzespakete gegen Hass und Hetze im Internet.

Steinmeier hob hervor, dass nun eine Kanzlerschaft zu Ende gehe, "die man zu den großen in der Geschichte dieser Republik rechnen darf". Merkels Regierungszeit sei "beispielgebend" gewesen. Er erinnerte an ein Interview, das der Journalist Günter Gaus 1991 mit Merkel geführt hatte. "Anlass des Interviews war Ihre Nominierung zur stellvertretenden Parteivorsitzenden der CDU", so Steinmeier.

"Günter Gaus war offenkundig irritiert von der Rasanz dieses politischen Aufstiegs einer noch nahezu Unbekannten an die Parteispitze der Union. Er fragte Sie, ob es nicht auch Ihnen ein wenig zu schnell ginge, ob Sie nicht fürchteten, 'mehr Objekt als Subjekt der eigenen Geschichte' zu sein und zu werden. 'Ach wissen Sie, meine inneren Mechanismen sind ganz intakt', antworteten Sie mit feinem, leicht verschmitztem Lächeln auf diese fast ein wenig unwirsch gestellte Frage."

"Prägend für eine ganze Generation"

Merkel sei in diesem Interview als junge Politikerin aufgetreten, "die sehr konzentriert und überzeugend ein ostdeutsches Selbstbewusstsein vertritt, das mit westdeutscher Selbstgewissheit eben nicht zu verwechseln ist", sagte Steinmeier. "Eine Ostdeutsche, die weiß, dass ihre Lebensgeschichte sie zu eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen geführt hat, die nach dem Ende der DDR nicht einfach ein entwerteter Fahrschein in den Westen waren. Und die überzeugt davon ist, dass diese Erfahrung in der Parteiführung der CDU, wie in der bundesdeutschen Politik insgesamt, ihren Platz finden müsse, wenn die Einheit gelingen sollte. Und Frau Bundeskanzlerin: Sie sollten Recht behalten!"

Merkel sei prägend geworden für eine ganze Generation junger Frauen und Männer, "denen sie eine neue, ganz eigene Form der Führung vorgelebt hat", sagte Steinmeier. Er würdigte auch ihre "Rolle der Mittlerin in der Mitte Europas". Er fügte hinzu: "Ich bin sicher, dass diese Rolle, diese Stimme, die Sie haben, auch in Zukunft wichtig bleiben wird für Europa."

Quelle: ntv.de, hvo

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