
Bärbel Bas ging ihr neues Amt mit einer natürlich wirkenden Grundheiterkeit an.
(Foto: imago images/Chris Emil Janßen)
Sie ist erst die dritte Frau, die Bundestagspräsidentin wird: Unter dem Applaus der Delegierten übernimmt SPD-Politikerin Bas das Amt von ihrem Vorgänger Schäuble. In ihrer Rede sagt sie, was von ihr zu erwarten ist. Dann muss sie gleich ihre erste Herausforderung bestehen.
Gerade ist Bärbel Bas erwartungsgemäß ins Amt der Bundestagspräsidentin gewählt worden, da muss sie schon improvisieren. Sie sitzt an der Stelle, wo vier Jahre lang Wolfgang Schäuble präsidierte, und muss sich nun mit ihrem ersten Zwischenrufer beschäftigen. Es handelt sich um einen AfD-Abgeordneten aus Köln, der die Abstimmung zur Wahl der künftigen Stellvertreter Bas' mit wildem Armrudern und Zwischenrufen begleitet. Er steht am Mikrofon der Besuchertribüne, auf der jene Abgeordneten Platz nehmen mussten, die keine Auskunft über ihren Impfstatus abgeben wollten. "Entschuldigung, ich bin mitten in der Abstimmung. In der Abstimmung kann man sich nicht zu Wort melden", sagt Bas zu dem Mann.
Der Abgeordnete darf dann schließlich doch sprechen, haucht und klopft ins Mikrofon, das zunächst nicht funktionieren will, und sagt schließlich, was er "nur fürs Protokoll" noch gesagt haben wollte. Es geht ihm offenbar um das Verfahren zur Wahl der Stellvertreter Bas'. Er erwähnt ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und verleiht so dem Unmut seiner Fraktion Ausdruck, dass die anderen Parteien keinen AfDler als Vizebundespräsidenten wählen wollen. Der AfD-Mann auf der Tribüne räumt gleich ein, dass seine Wortmeldung das Ergebnis der gerade erfolgten Abstimmung wohl nicht geändert hätte. Womit er recht haben dürfte. Bas lässt das so stehen und der Mann setzt sich wieder. Die neue Präsidentin hat ihre erste kleine Feuerprobe über- und bestanden.
Etwa eine halbe Stunde zuvor war die Stimmung noch feierlich-freundlich. Nachdem Bas mit 576 Stimmen zur erst dritten Frau ins Amt der Bundestagspräsidentin gewählt worden ist, erheben sich die Abgeordneten zum Applaus. Bis Wolfgang Schäuble, der die Sitzung als Alterspräsident des Bundestages leitet, mit milder Strenge in der Stimme sagt: "Frau Bas, bitte übernehmen Sie das Amt." Bas holt noch Handtasche und Handy und schreitet in ihrem knallroten Blazer ans Rednerpult. Händeschütteln mit Schäuble, dann steht die 53-jährige Duisburgerin vor den mehr als 700 Abgeordneten. Es erhebt sich freundliches Lachen und spontaner Applaus, als sie das tut, was man im Ruhrgebiet, aber auch anderswo in Deutschland, in so einer Situation eben tut: Sie bläst kurz die Backen auf, atmet durch und lässt ein Lachen aufblitzen.
"Das musste ich jetzt auch einmal loswerden"
In ihrer Rede spricht sie über Frauen in der Politik, darüber, wie sie das Amt führen will, und fordert und verspricht mehr Bürgernähe. Auf der Besuchertribüne begrüßt sie ihre Vorgängerin Rita Süßmuth und Sabine Bergmann-Pohl, die Präsidentin der ersten und einzigen frei gewählten Volkskammer der DDR. Es klingt etwas verunglückt, als Bas sagt, Süßmuth zeige, wie viel eine Frau in einem Staatsamt bewirken könne. Denn neben der früheren Bundestagspräsidentin sitzt Angela Merkel, für die dieser Satz noch viel mehr zuträfe. Aber sei's drum. Ihren Punkt hat Bas rübergebracht. Sie erinnert auch an Annemarie Renger, die erste Frau an der Spitze des Bundestages, die 1972 ins Amt kam. Bas sagt, sie empfinde ihre Wahl ebenso als Zeitenwende, wie es damals eine gewesen sei. "Es tut unserem Land gut, wenn Bürgerinnen und Bürger sehen, dass eine Frau im Herzen der Demokratie Verantwortung trägt."
Und, "das musste ich jetzt auch einmal loswerden", sagt sie, "Duisburg, wo ich geboren bin, hat noch nicht erlebt, dass ein Kind der Stadt in ein so hohes Staatsamt gewählt worden ist." Wieder blitzt ihr Schmunzeln auf. Aber sie kann auch anders. Mit einfachen, aber ernsten Worten dankt sie Schäuble für "außergewöhnliche Leistungen" in den vergangenen vier Jahren. "Sie haben sich um unsere parlamentarische Demokratie verdient gemacht. Herzlichen Dank." Ganz still wird es im Plenum, als sie an einen verstorbenen Kollegen erinnert: Thomas Oppermann, früherer SPD-Fraktionschef im Bundestag und zuletzt Vizebundestagspräsident, bevor er am Montag vor einem Jahr überraschend starb. Sie habe viel von ihm gelernt und spüre "an einem Tag wie heute, dass er fehlt".
Jetzt aber wirklich das Wahlrecht reformieren
Bas weiß auch, dass ihre Arbeit nicht einfach werden wird. Nicht nur, weil mit dem Klimawandel, der Digitalisierung und vielen anderen Themen einige Baustellen auf die neue Regierung warten. Sondern auch, weil die Arbeit des Bundestages nur auf wenig Interesse draußen im Lande stößt. Die Menschen schalten oftmals lieber Talkshows ein, als Debatten im Bundestag zu folgen. Hier setzt Bas an: "Dafür stehe ich: Für ein respektvolles Miteinander, für eine verständliche Politik und für ein Parlament, das die Politik hinausträgt in die Gesellschaft." Die Abgeordneten ruft sie dazu auf, sich verständlich und klar auszudrücken, sich nicht hinter Expertenjargon zu verstecken. Alle hätten eine Vorbildfunktion, alle stünden für "die Politik", sagt sie.
Während der 79-jährige Schäuble monalisahaft lächelt, mahnt sie die Abgeordneten dazu, noch einmal eine Wahlrechtsreform anzugehen. "Jetzt aber wirklich!", ruft sie in fast neckischem Ton. Denn dass die nicht erfolgreich angepackt wurde, führte dazu, dass Bas nun die Aufsicht über 736 Abgeordnete führt. So viele wie nie zuvor. Was die Meinung nähren dürfte, die Abgeordneten seien nicht gut darin, sich selbst zu beschränken. Andererseits steigt dadurch die Chance, dass mehr Parlamentarier eine weitere Forderung von Bas in die Tat umsetzen: "Ich erwarte Abgeordnete, die Begeisterung zum Mitmachen wecken", sagt sie. Als sie sich unter Applaus hinsetzt, beobachtet sie schmunzelnd, wie das Doppelmikrofon an ihrem Platz automatisch herunterfährt. Sie zuckt, als es ruckartig zum Stehen kommt. "So, ich habe den richtigen Knopf schon gefunden", sagt sie. "Dann wollen wir mal in die Tagesordnung einsteigen." Bitte.
Quelle: ntv.de