Politik

Der geheime Spitzenkandidat der SPD Warum Steinmeier gegen Merkel antritt

Derzeit bleibt Steinmeier und seinen Sozialdemokraten in der K-Frage nur eines: schweigen.

Derzeit bleibt Steinmeier und seinen Sozialdemokraten in der K-Frage nur eines: schweigen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Kanzlerkandidat der SPD steht längst fest, nur darf noch niemand darüber sprechen. Denn die Partei hat sich mit dem beliebten Fraktionschef Steinmeier für einen Mann entschieden, der eine große Fläche für Angriffe von Medien und Opposition bietet und letztlich nur die zweite Wahl der Sozialdemokraten und ihrer Anhänger ist.

Er ist erst seit ein paar Wochen Ministerpräsident, und auch nur der eines bevölkerungsarmen, wirtschaftlich schwachen Landes. Trotzdem reichen ein paar Worte von Torsten Albig, um eine hitzige öffentliche Debatte über den nächsten Kanzlerkandidaten der SPD zu entfachen. Wie kann das sein? Der Sozialdemokrat aus Schleswig-Holstein hat etwas gesagt, was ein Sozialdemokrat jetzt noch nicht sagen darf. um Kanzlerin Angela Merkel 2013 bei der Bundestagswahl herauszufordern.

In den vergangenen Monaten hat sich schon immer deutlicher abgezeichnet, dass Steinmeier das Rennen um die Spitzenkandidatur für sich entscheiden, dass er sich gegen die anderen Mitglieder der roten Troika durchsetzen wird. Nur darf das noch niemand wissen. Mehr als ein Jahr vor der Bundestagswahl hält die Spitze der Partei die Gefahr offensichtlich für zu groß, dass Medien und Opposition sich in den Schwächen des 56-Jährigen suhlen und ihn lange vor dem Wahltag zerrupfen. Zu Recht.

Umfragewerte disqualifizieren Gabriel

Offiziell ist die Kandidatenkür noch "ganz offen". Tatsächlich kommt aber der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel schon lange nicht mehr für den Posten in Frage.

Laut der jüngsten Forsa-Erhebung würde er gegen Merkel selbst verlieren, wenn nur Sozialdemokraten zur Bundestagswahl zugelassen wären. 46-Prozent der SPD-Anhänger stimmten darin bei diesem Duell für Merkel, nur 34 Prozent für Gabriel. In der aktuellen Debatte macht sich wohl auch aus diesem Grund kein profilierter SPD-Politiker für ihn stark.

Steinbrück kann nicht mit den Linken

Auch Peer Steinbrück kann kaum noch hoffen. Noch im Sommer des vergangenen Jahres setzte sich der denkbar bedeutendste Sozialdemokrat als Fürsprecher für den gebürtigen Hamburger ein: Altkanzler Helmut Schmidt. "Er kann es", sagte er damals. Es wäre eine Gelegenheit für etliche SPD-Politiker gewesen, sich ebenfalls hinter Steinbrück zu stellen. Doch Schmidts Appell verpuffte nach wenigen Wochen wieder, obwohl er ihn mehrmals wiederholte.

Am Bundesparteitag ereilte Steinbrück dann das fast schon offizielle Aus seiner Kandidatur. Damals machte er deutlich, dass er kaum bereit ist, für seine Partei Kompromisse in seiner politischen Haltung einzugehen. Und die ist für sozialdemokratische Verhältnisse vor allem wirtschaftspolitisch konservativ. Er wetterte vor den Delegierten gegen den linear-progressiven Steuertarif, sagte dass es eine "hoch motivierte und leistungsfähige junge Generation gebe, die den gar nicht witzig findet." Er sprach über gesellschaftliche und wirtschaftliche Eliten. Weil er ein Charakter ist, der sich nicht verbiegen lässt, und den Ruf hat, ein profilierter Finanzpolitiker zu sein, kommt Steinbrück mit derartigen Auftritten bei vielen Wählern an. Auf dem Bundesparteitag erntete er aber einen niederschmetternd verhaltenen Applaus. Beim linken Flügel der Partei kann er bis heute nicht punkten. In der "Partei der Solidarität und sozialen Gerechtigkeit" kann man als Kanzlerkandidat diesen Flügel nicht übergehen.

Steinmeier ist beliebt und gut vernetzt in den Landesverbänden

Steinmeier dagegen kann reüssieren, wo Gabriel und Steinbrück patzen. Obwohl er die Agenda 2010 mitgestaltet und umgesetzt hat, lobt ihn mittlerweile gar der scharfzüngige Parteilinke aus dem hohen Norden, Ralf Stegner. "Frank-Walter Steinmeier könnte von den drei möglichen Kanzlerkandidaten das Amt am besten", sagte er unlängst. Steinmeier kann sich in vielen Landesverbänden des Rückhalts sicher sein – vor allem weil er anders als Gabriel, der einen klaren linken sozialpolitischen Kurs fährt, und anders als der wirtschaftspolitisch eher konservative Steinbrück nicht polarisiert, sondern ausgleichend wirkt.

In Umfragen kann Hannelore Kraft alle Mitglieder der roten Troika übertrumpfen. Doch als Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen will sie noch nicht in die Bundespolitik wechseln.

In Umfragen kann Hannelore Kraft alle Mitglieder der roten Troika übertrumpfen. Doch als Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen will sie noch nicht in die Bundespolitik wechseln.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zur Unterstützung aus den Landesverbänden trägt auch bei, dass Steinmeier gut vernetzt ist. Laut dem "Spiegel" gelang es ihm, Vertraute in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zu platzieren. Eine Win-Win-Situation für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und für Steinmeier. Sie bekommt mehr Einfluss in Berlin, Steinmeier erhöht die Zahl seiner Freunde im Landesverband des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, das als entscheidend für die Kandidatenkür gilt.

Äußerst hilfreich für ihn dürfte auch seine Freundschaft zu Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck sein, der in Ostdeutschland zu den einflussreichsten Sozialdemokraten zählt. Steinmeier hat seinen Wahlkreis in der Mark.

Besser als Gabriel gelingt es Steinmeier zudem, die Gunst der Wähler auf sich zu ziehen. Kein anderes Mitglied der Troika kommt Merkel im Duel so nahe wie er. Beliebter, besser vernetzt, kompromissfähiger - es gibt praktisch keine Alternative zu Steinmeier.

Trotz allem ist Steinmeier nur zweite Wahl

Dass Spitzensozialdemokraten oder Fraktionsvize Joachim Poß Albig und den Rest der Partei jetzt trotzdem ermahnen, so lange vor der Bundestagswahl nicht über Personalien zu spekulieren, offenbart das wahre  Dilemma der SPD: Steinmeier gilt unter Sozialdemokraten zwar als bester verfügbarer Kandidat, doch er hat zu viele Schwächen, die ihn in einem langen auf ihn zugeschnittenen Wahlkampf verbrennen könnten.

Bei der Bundestagswahl 2009 war er es, der mit 23 Prozent das schlechteste Ergebnis der SPD in der Nachkriegszeit einfuhr. Und er ist es, der zu einem großen Teil dafür verantwortlich zeichnen muss, dass mit Murat Kurnaz ein Mann jahrelang unschuldig im US-Gefangenenlager Guantanamo Bay einsitzen musste.

Viel schwerwiegender ist jedoch noch etwas anderes. Steinmeier, der sich gegen starke Sozialdemokraten wie Gabriel und Steinbrück durchsetzen kann, ist trotzdem nur zweite Wahl der SPD. Unter Parteianhängern und Wählern brilliert dieser Tage nur ein Sozialdemokrat wirklich: Hannelore Kraft. Sie kann laut Umfragen selbst Merkel schlagen. So eine Kanzlerkandidatin müsste die Partei kaum in diesem Maße vor Attacken der Medien oder der Opposition schützen. Doch da Kraft Nordrhein-Westfalen 2013 noch nicht verlassen will, bleibt der SPD mit Frank-Walter Steinmeier vorerst nur eines: schweigen.

Quelle: ntv.de

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