Debatte über Meuthen-AuftrittWarum eine Schule den AfD-Chef einlädt

Ein Gymnasium in Brandenburg lädt den AfD-Vorsitzenden Meuthen zum Europatag ein - und die Aufregung ist groß. Schulleiter Thomas Reuß verteidigt die von Schülern getroffene Entscheidung. "Wir wollen eine Auseinandersetzung ermöglichen", sagt er.
Das von-Saldern-Gymnasium in Brandenburg an der Havel hat - neben anderen Politikern - den AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen eingeladen. "Wie viel AfD verträgt die Schule?", fragte die "Märkische Allgemeine Zeitung" daraufhin und der "Berliner Kurier" berichtete über einen "Schüler-Aufstand". Was sagt der Schulleiter Thomas Reuß: Ist es in Ordnung, den Vertreter einer Partei einzuladen, die zumindest in Teilen fremdenfeindlich ist?
n-tv.de: Warum haben Sie Jörg Meuthen an Ihre Schule eingeladen?
Thomas Reuß: Als Europaschule führen wir in jedem Jahr einen Europatag durch, dieses Mal am 9. Mai. Der Europatag besteht aus unwahrscheinlich vielfältigen Veranstaltungen, wir organisieren ein Programm von der Jahrgangsstufe fünf bis zur Jahrgangsstufe elf - die Zwölfer haben ja gerade das Abitur gemacht. In diesem Jahr haben Schülerinnen und Schüler aus einem Seminarkurs der Jahrgangsstufe elf federführend die Organisation übernommen.
Und die haben den AfD-Vorsitzenden eingeladen?
Sie haben nicht nur Politiker eingeladen, sondern auch Vertreter anderer europäischer Länder. Kommen werden der Botschafter des Königreichs Belgien und der Botschafter der Republik Malta, jeweils für Foren zum Thema Europa. Außerdem wollten die Schüler eine Podiumsdiskussion mit deutschen Politikern organisieren, auf der es um Deutschlands Rolle in Europa und andere europapolitische Fragen gehen soll. Die Absicht der Schüler war, Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien einzuladen.
Das ist gelungen?
Ja. Die Schüler haben die Parteien direkt oder über die Bundestagsfraktionen angeschrieben. Letztlich haben wir sechs Zusagen bekommen, von allen Parteien, die im Bundestag vertreten sind.
Meuthen wird also nicht allein auftreten, sondern in einer Podiumsdiskussion mit anderen?
Aber selbstverständlich. Zugesagt haben neben Herrn Meuthen die CDU-Politikerin Dietlind Tiemann, die bis 2017 Oberbürgermeisterin von Brandenburg war und jetzt im Bundestag sitzt, der SPD-Politiker Ralf Holzschuher, der Brandenburg im Potsdamer Landtag vertritt, sowie die aus dem Land Brandenburg stammenden Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg für die Linke und Linda Teuteberg für die FDP und die Potsdamer Landtagsabgeordnete der Grünen, Marie-Luise von Halem.
Jörg Meuthen ist Bundesvorsitzender seiner Partei, das sind die anderen nicht.
Dafür können wir ja nichts. Wir haben eingeladen - welche Politiker dann Zeit haben, liegt nicht in unserer Macht. Aber das sollte auch kein Kritikpunkt sein, denn ich will mir nicht anmaßen, die Kompetenz einzelner Bundestags- oder Landtagsabgeordneter negativ einzuschätzen.
Warum haben die Elftklässler überhaupt einen AfD-Vertreter eingeladen? Um Ausgewogenheit herzustellen oder weil sie die AfD gut finden?
Um Ausgewogenheit herzustellen natürlich. Diesen Teil des Europatags haben neben dem Seminarkurs auch Schüler eines Leistungskurses Politische Bildung der Jahrgangsstufe 11 organisiert. Die haben sich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt und eine tolle Arbeit geleistet. Von ihnen kommen auch die Fragen, die dann in der Podiumsdiskussion gestellt werden.
Die "Berliner Zeitung" schreibt, es habe Kritik an der Einladung für Jörg Meuthen gegeben, zumal Ihr Gymnasium nicht nur eine Europaschule ist, sondern auch den Titel "Schule ohne Rassismus" trägt. Können Sie das nachvollziehen, dass Schüler und Eltern das problematisch finden?
Selbstverständlich kann ich das nachvollziehen. Man kann das, wenn man es oberflächlich betrachtet, durchaus als Widerspruch sehen: wenn eine Schule ohne Rassismus dem Vertreter einer politischen Strömung, die in diese Richtung driftet, das Wort gibt. Aber die Schüler, die das organisiert haben, sind der Meinung, dass Rassismus etwas mit Ausgrenzen zu tun hat. Hinter dieser Haltung stehe ich als Schulleiter vollkommen. Wie will man gewissen politischen Strömungen Einhalt gebieten, wenn man sich nicht mit ihnen auseinandersetzt? Das Ausgrenzen führt ja eher dazu, dass Protest entsteht. Wir sehen die Auseinandersetzung als einzige Möglichkeit, mit solchen Aussagen umzugehen. Und im Titel unserer Schule steht ja nicht nur "Schule ohne Rassismus", da steht auch "Schule mit Courage". Wir sind der Meinung, wir bringen genau diesen Mut auf, eine bestimmte politische Strömung nicht nur zu verteufeln. Wir wollen eine Auseinandersetzung ermöglichen - die wir allerdings nicht selbst führen, sondern führen lassen.
Von den anderen Politikern.
So ist es. Nach der Podiumsdiskussion gibt es vielleicht noch Zeit für Fragen aus dem Publikum. Aber der Hauptteil wird die Debatte unter den Politikern sein.
Wer wird moderieren?
Das werden Schüler machen. Hut ab, dass die sich das zutrauen. Aber die haben sich auch wirklich bestens vorbereitet.
Gab es eigentlich viele Anfragen von Medien für Interviews so wie dieses hier?
Sehr viele.
Werden Journalisten von der Veranstaltung berichten?
Es gibt Anfragen, aber wir werden nur Print-Medien zulassen, keine filmische Berichterstattung. Es ist schließlich eine schulinterne Veranstaltung und diese soll in einem möglichst normalen Rahmen stattfinden.
Sie haben keine Angst, dass es eine Jubel-Veranstaltung für die AfD wird?
Nein, definitiv nicht. Es sei denn, die massive Berichterstattung trägt dazu bei.
Mit Thomas Reuß sprach Hubertus Volmer