Politik

Kommt kaum zum Einsatz Warum keine Fußfessel für Islamisten?

122 Personen in Deutschland werden mit einer elektronischen Fußfessel überwacht - Islamisten sind nicht darunter.

122 Personen in Deutschland werden mit einer elektronischen Fußfessel überwacht - Islamisten sind nicht darunter.

(Foto: picture alliance/dpa)

Seit dem Anschlag vom Breitscheidplatz ist der Einsatz von elektronischen Fußfesseln bei islamistischen Gefährdern gesetzlich möglich. Von den 627 gefährlichen Islamisten in Deutschland trägt jedoch keiner eine.

Der Terrorakt von Wien hat auch die Sicherheitsbehörden in Deutschland aufgeschreckt. Denn immerhin führen die Sicherheitsbehörden in Deutschland 627 islamistische Gefährder; Personen also, denen zugetraut wird, dass sie - wie es in Amtsdeutsch heißt - "politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden". Einer von ihnen war Abdullah al-H., der am 4. Oktober in Dresden einen Mann erstach und einen weiteren schwer verletzte. Der Syrer und fanatische IS-Anhänger war gerade erst aus der Haft entlassen worden, stand unter Führungsaufsicht. Verhindert hat das die Tat aber nicht.

Sachsens Innenminister Roland Wöller fordert deshalb nun ein Ende des Abschiebestopps nach Syrien. Der Gedanke dahinter: Warum behandelt man Menschen, die in Deutschland Terrorakte begehen oder begehen wollen wie Asylbewerber, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind? Auch Bayern will ein Ende des Abschiebestopps. Letztlich wäre die Aussetzung des Abschiebestopps aber vermutlich eine theoretische Maßnahme. Denn wie wollen deutsche Behörden in ein Land wie Syrien abschieben, zu denen Deutschland nicht einmal diplomatische Beziehungen unterhält? Praktisch wird es in absehbarer Zeit Abschiebungen nach Syrien nicht geben. Zudem sind viele Gefährder schlichtweg deutsche Staatsbürger.

Eine praktische Maßnahme, die in vielen Bundesländern zur Überwachung von Gefährdern schon jetzt eingesetzt werden könnte, ist die elektronische Fußfessel. Mit der Überarbeitung des BKA-Gesetzes ist das möglich. Vorher durfte das Tragen einer Fußfessel nur bei verurteilten Straftätern angeordnet werden. Dann kam Anis Amri und die Amokfahrt vom Breitscheidplatz. Seit 2017 darf die Maßnahme deshalb bei Gefährdern auch zur präventiven Gefahrenabwehr eingesetzt werden - wenn ein Richter zustimmt.

NRW-Innenminister Herbert Reul bezeichnete in diesem Zusammenhang elektronische Fußfesseln als probates Mittel zur Überwachung von islamistischen Gefährdern: "Fußfesseln funktionieren. Wir setzen sie sehr gezielt ein. Da müssen auch Gerichtsentscheidungen vorliegen. Das wird sehr behutsam eingesetzt. Dann allerdings auch wirkungsvoll", sagte er ntv.

"Tatgeneigte Personen abschrecken"

Bundesweit allerdings scheinen Fußfesseln vor allem eine theoretische Möglichkeit zu sein. Praktisch kommen sie kaum zum Einsatz. Das liegt einerseits daran, dass einige Länder wie Bremen, Schleswig-Holstein oder das Saarland ihre Polizeigesetze entweder noch nicht angepasst haben oder es auch gar nicht wollen. Die anderen Länder machen keinen Gebrauch davon. Ein Anruf bei der Fußfesselzentrale im hessischen Weiterstadt, die für alle Bundesländer den Einsatz von elektronischen Fußfesseln koordiniert, ergibt: 122 Personen werden in Deutschland mit einer Fußfessel überwacht. Nur sieben davon sind Gefährder, bei denen es sich um eine Präventivmaßnahme zur Gefahrenabwehr handelt. Aber dies sind keineswegs Islamisten, sondern "gewöhnliche" Gefährder.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Reaktion der Innenministerien der Länder. Die Antworten lassen erst auf sich warten und sind dann spärlich - mit Verweis auf die Tatsache, dass Gefährder nachrichtendienstlich überwacht würden. Aber eines ergibt sich aus den Antworten: Die elektronische Fußfessel wird als Mittel der Gefahrenabwehr gegen islamistische Gefährder nicht eingesetzt.

Das ist erstaunlich. Denn so schreibt das niedersächsische Innenministerium: "Vorteil dieser Maßnahme könnte sein, dass tatgeneigte Personen abgeschreckt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit in akuten Gefahrenlagen schnell den Aufenthaltsort festzustellen und versetzt die Sicherheitsbehörden in die Lage, zeitgerecht Interventionsmaßnahmen zu initiieren." Dennoch macht das Land keinen Gebrauch davon - und dies, obwohl in Niedersachsen 75 meist islamistische Gefährder leben.

Eine elektronische Fußfessel kann keinen Terrorakt verhindern. Aber sie wäre ein Signal des Staates an die Gefährder und an die Bürger. Zweifelsohne ist die elektronische Fußfessel auch ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen. Aber sind die Grundrechte derjenigen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands zerstören wollen, mehr wert als die Leben der Menschen, die in diesem Staat leben?

Quelle: ntv.de

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