Politik

Abstimmung über neues ParlamentWenige Algerier gehen wählen

10.05.2012, 18:59 Uhr
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Die Wahlbeteiligung wird wohl sehr niedrig ausfallen. (Foto: dpa)

21 Millionen Algerier können zwischen der Regierungspartei, Islamisten oder vielen Splittergruppen wählen. Doch die meisten bleiben einfach zuhause. Zu groß sind die Zweifel am Sinn von Wahlen und die Angst vor Unruhen. Trotz großer Sicherheitsvorkehrungen gibt es einzelne Anschläge.

Beim ersten Urnengang seit Aufhebung des langjährigen Ausnahmezustands vor 15 Monaten hat Algerien ein neues Parlament bestimmt. Die Wahl in Nordafrikas größtem Staat begann nach Angaben der EU-Beobachter störungsfrei, stieß aber nach übereinstimmenden algerischen Medienberichten auf extrem geringes Interesse.

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Präsident Abdelaziz Bouteflika gibt seine Stimme ab. Er gehört der Regierungspartei FLN an. (Foto: dpa)

Gegen Mittag lag die Beteiligung nach Angaben des Innenministeriums bei 15,5 Prozent, andere Quellen sprachen von nur 4 Prozent. Bei den letzten Wahlen 2007 hatten insgesamt nur 36 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben, jetzt könnten es sogar nur 20 Prozent sein. Die politische Macht des Parlaments ist beschränkt, weshalb viele Algerier die ganze Wahl für sinnlos halten. Erste Ergebnisse werden für diesen Freitag erwartet.

Premierminister Ahmed Ouyahia bezeichnete die Wahl dagegen als wichtige Etappe der Demokratie in Algerien, das in diesem Jahr den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit feiert. Wahlberechtigt sind 21 Millionen der insgesamt 39 Millionen Algerier. In den 48 Wahlkreisen bewerben sich nach Regierungsangaben 44 Parteien und 211 unabhängige Kandidaten um 462 Mandate.

FLN regiert seit 1962

Drei islamistische Parteien treten bei der Wahl als "Grüne Allianz" gegen die mächtige Regierungspartei an. Die ehemalige Einheitspartei FLN regiert das Land seit einem halben Jahrhundert. Sie verfügte im bisherigen Parlament über die 136 Sitze und ging als Favorit in die Wahlen. Allerdings ist die die FLN geschwächt und gespalten. Die Führung von Generalsekretär Abdelaziz Belchadem ist innerhalb der Partei umstritten und in manchen Wahlkreisen traten zwei FLN-Kandidaten gegeneinander an. Die Partei wird seit langem für die verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft im Land verantwortlich gemacht.

Angesichts der Erweiterung der Wählerlisten um rund vier Millionen Wahlberechtigte, warnten mehrere Oppositionsgruppen vor einer Manipulation der Abstimmung. Um Fälschungsvorwürfe wie bei vorherigen Wahlen zu vermeiden, überwachen rund 500 Beobachter der Europäischen Union, der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen die Wahl.

Ein Toter und Verletzte bei Explosionen

Trotz scharfer Sicherheitsvorkehrungen gab es Anschläge. Nach Angaben der Zeitung "El Watan" wurden im Westen der Hauptstadt Algier drei Menschen verletzt, als ein Sprengsatz explodierte. Nahe dem 120 Kilometer östlich Algiers gelegenen Départements Bouira gab es einen Toten bei der Explosion eines weiteren Sprengsatzes. Jugendliche attackierten zudem in der Gemeinde Saharidj zwei Wahlbüros und setzten Wahlurnen in Brand.

Im Zentrum des Wahlkampfs stand die hohe Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 20 Prozent. Die Wahl galt auch als Abstimmung über eingeleitete Reformen. In Algerien ist die Unzufriedenheit mit der Politik hoch, doch gab es anders als etwa in Tunesien oder Ägypten bisher keine großen Proteste.

Seit dem Bürgerkrieg in den 90er Jahren mit 200.000 Toten ist die Angst im Land vor gewaltsamen Veränderungen und das Misstrauen gegenüber Wahlen groß. Bei den freien Wahlen im Jahr 1991 hatte die heute verbotene Islamische Heilsfront (FIS) die meisten Stimmen erhalten. Ihre Wahl war jedoch nicht akzeptiert worden, es folgten ein Militärputsch und der acht Jahre währende Bürgerkrieg.

Quelle: ntv.de, nsc/dpa/AFP

Abdelaziz Bouteflika