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Es ist das Trauma der Franzosen:
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Der Krieg in Algerien, der vor genau 50 Jahren, am 18. März 1962, mit den Verträgen von Évian offiziell beendet wird.
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Erbittert bekämpfen sich Algerier und Franzosen, ...
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... Hunderttausende lassen ihr Leben.
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Entführungen, Folter, Massaker sind an der Tagesordnung in dem siebeneinhalbjährigen Krieg, der zu den grausamsten Unabhängigkeitskriegen gehört.
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Dass Frankreich so lange an Algerien festhält, hat gute Gründe. Ist dieses doch dessen größte und älteste Kolonie.
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Schon 1830 besetzen französische Truppen die Städte Algier, Oran und Bone ...
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... und beginnen, das Land zu erobern.
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1848 verliert der nördliche Teil Algeriens seinen Kolonialstatus, er wird ein Teil Frankreichs.
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Mitte der 1950er Jahre leben mehr als eine Million europäischer Siedler im "Kronjuwel" Frankreichs - bei insgesamt 8,1 Millionen Einwohnern.
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Der Großteil von ihnen lebt nicht schlecht in einem Land, in dem die einheimische Bevölkerung systematisch enteignet wird.
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Es ist ein Zwei-Klassen-System: oben die sogenannten "Pieds noirs" (deutsch: Schwarzfüße), ...
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... unten die Berber und Araber, französische Untertanen zwar, doch keine echten Staatsbürger.
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Noch während des Zweiten Weltkriegs kämpfen die algerischen Untertanen Seite an Seite mit den Franzosen gegen das nationalsozialistische Deutschland.
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Mehr noch: Es sind sogar überproportional viele Maghrebiner in den Truppen des Freien Frankreichs vertreten.
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Zu Ende des Krieges fordern sie ihren Tribut. Bei Siegesfeiern am 8. Mai 1945 kommt es in Algerien zu Demonstrationen unter dem Motto "Freiheit auch für das algerische Volk".
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Die Antwort der Franzosen sind Massaker in Sétif und Guelma - eine fatale Reaktion, die zu einer zunehmenden Radikalisierung der Algerierer führt.
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Der erfolgreiche Unabhängigkeitskrieg Indochinas bestärkt sie.
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Frankreich wiederum sieht sich nach dem Verlust Indochinas in seinem Selbstverständnis als Kolonialmacht erschüttert ...
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... und befürchtet einen weiteren Abstieg als "Grande Nation".
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Umso entschlossener beharrt es nun auf Algerien. Eine Unabhängigkeit kommt für Paris nicht in Frage, auch wenn es schon lange in Algerien gärt.
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Im Herbst 1954 erklärt Frankreichs Innenminister Francois Mitterand noch: "L'Algérie, c'est la France".
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Das Mittelmeer trenne Algerien von Frankreich nicht anders als die Seine die zwei Hälften von Paris.
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Da hat der Kampf der Aufständischen schon längst begonnen.
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Am 1. November 1954, am "Blutigen Allerheiligen", schlägt die algerische Befreiungsfront mit einer Anschlagsserie zu, ab 1956 unterstützt durch das inzwischen unabhängige Marokko und Tunesien.
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Paris verstärkt seine Truppen auf 500.000 Mann, auch Wehrpflichtige, Reservisten und die Fremdenlegion kämpfen in Algerien gegen die Aufständischen.
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Insgesamt sind bis zu 1,7 Millionen Franzosen an dem Krieg beteiligt.
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Sie sind nicht zimperlich.
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Folter und Mord sind Teil der französischen Kriegspolitik, ...
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... französische Soldaten spielen mit den Augen massakrierter Algerier Murmeln.
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"Sie ließen uns freie Hand, zu tun, was wir für notwendig hielten", erinnert sich später Ex-General Paul Aussaresses.
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Konkret heißt dies: Elektroschocks, Untertauchen in Exkrementenbrühe, Massenvergewaltigungen.
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Selbst wenn es im Hinterland keinen Strom gibt, zeigt man sich erfinderisch und bedient sich der pedalbetriebenen Stromerzeugung für Radiostationen.
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"Jedermann wusste, dass Folter zum Alltagsgeschäft der Armee gehörte", meint etwa der französische Historiker Pierre Nora.
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Im Schatten des Algerienkriegs startet Frankreich in der Sahara am 13. Februar 1960 die Operation "Blaue Wüstenspringmaus". Es zündet seine erste Atombombe in der Sahara.
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Bis heute ist das Gebiet um die Explosionsstelle verseucht. Die Bevölkerung in der Umgebung leidet noch immer unter den Folgen.
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Mehr als 1,6 Millionen Algerier werden zwangsumgesiedelt in diesem schmutzigen Krieg, in dem sich auch die algerische Seite gnadenlos zeigt.
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Auch wenn sie mit massivem Militäraufgebot in Algerien zunächst aufgerieben wird, ...
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... trägt diese doch mehr und mehr ihren Widerstand nach Frankreich.
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Hier wie in aller Welt demonstrieren immer mehr Menschen für ein unabhängiges Algerien.
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Die Stimmung in Frankreich wendet sich, ...
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... die USA und die UdSSR verschärfen ihren diplomatischen Druck.
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Intellektuelle wie Albert Camus und Jean-Paul Sartre prangern die Grausamkeiten Frankreichs an.
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Bei einem Referendum stimmen im Januar 1961 rund 75 Prozent der Wähler für eine Unabhängigkeit des rebellischen Landes, ...
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... das für Frankreich mehr und mehr zu einer Bürde wird.
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Der Krieg ist teuer, ...
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... Präsident Charles de Gaulle zeigt sich einer Unabhängigkeit nicht mehr abgeneigt.
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"Angesichts der gegenwärtigen Weltlage hat Frankreich kein Interesse daran, Algerien unter seinem Gesetz und seiner Abhängigkeit zu halten, wenn dieses Land einen anderen Weg wählt. ...
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... Und Frankreich hat kein Interesse daran, die Bevölkerung eines Landes auf den Armen zu tragen, das sein eigener Herr geworden ist."
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Diese Äußerungen stoßen auf den geballten Unmut vieler Militärs und Siedler.
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Im April 1961 putschen vier Generäle, allerdings erfolglos.
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Vier Tage später werden sie gefangengenommen.
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Die französische Untergrundbewegung in Algerien, die OAS, setzt ihren Kampf fort.
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Ihr Wahlspruch: "Algerien ist französisch und wird es bleiben."
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Mit Sprengstoffanschlägen und anderen Gewaltakten hoffen sie, eine Unabhängigkeit noch abwenden zu können.
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Tausende Algerier sterben. Auch auf de Gaulle und dessen Frau verübt ein OAS-Mitglied und französischer Offizier im 22. August 1962 zusammen mit anderen Attentätern einen Anschlag, der allerdings misslingt.
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In Paris kommt es 1961 ebenfalls zu einem Ausbruch von Gewalt. In der "Schwarzen Nacht des 17. Oktober" endet eine friedliche Protestkundgebung von 30.000 Algeriern in einem Massaker. Pariser Polizisten, Gendarmerie und die Bereitschaftspolizei CRS töten viele Demonstranten.
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Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute unklar. Schätzungen gehen von rund 200 Menschen aus, die erschossen, erschlagen oder ertränkt werden. Dutzende Leichen treiben später in der Seine. Tausende Demonstranten werden tagelang in großen Stadien festgesetzt.
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Doch auch das Massaker von Paris verhindert nicht den Alptraum der "Pieds noirs": ...
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Am 18. März 1862 unterzeichnen Frankreich und die FLN die Verträge von Évian.
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Damit findet der Algerienkrieg offiziell ein Ende.
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Algerien wird unabhängig, den dort wohnenden Franzosen werden die Eigentumsrechte an Land und Besitz garantiert, es gibt eine Amnestieklausel.
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Dennoch verlassen Hunderttausende aus Furcht vor Terrorakten in den nächsten Monaten das Land.
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150.000 Muslime, die auf Seiten Frankreichs kämpften oder als Dolmetscher dienten, können allerdings nicht nach Frankreich fliehen.
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Die französischen Soldaten entwaffnen sie noch, dann überlassen sie die sogenannten Harkis ihrem Schicksal: ...
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... dem sicheren Tod, als Kollaborateure massakriert von der FLN.
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"Nach 1962 waren sie in Algerien vogelfrei", meint etwa der französische Historiker Pierre Nora.
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Doch in Frankreich redet man nicht über sie, genausowenig wie über die hunderttausenden Toten, die Folteropfer, die Schmach.
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Lange Zeit darf noch nicht einmal das Wort vom "Krieg" fallen.
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Man spricht lieber von "den Ereignissen in Algerien" oder den "Operationen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit".
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Erst im Oktober 1999 beschließt die Nationalversammlung in Paris, das Wort "Algerienkrieg" zuzulassen.
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Eine Entschuldigung für die Gräuel gibt es nicht.
Entführungen, Folter, Massaker Frankreichs Schmach - der namenlose Krieg
Es ist einer der grausamsten Unabhängigkeitskriege: der Kampf der Algerier gegen Frankreich. Hunderttausende sterben, Tausende werden gefoltert. Trotz eines massiven Militäreinsatzes erlebt Frankreich eine herbe Niederlage, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingräbt.
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