Politik

Terror in Boston Wer hinter den Bomben steckt

Die Bomben von Boston bringen den Terror zurück in die USA.

Die Bomben von Boston bringen den Terror zurück in die USA.

(Foto: REUTERS)

Bis ein Bekennerschreiben auftaucht sind alle Aussagen über die Täter von Boston Spekulation. Die US-Ermittler gehen von zwei möglichen Varianten aus. Für islamistischen Terror spricht vor allem das Vorgehen der Täter. Der Zeitpunkt des Attentats lässt jedoch eher rechtsextreme Gewalttäter aus dem Inland vermuten.

Offiziell weiß noch niemand, wer für die Bomben von Boston verantwortlich ist, ein Bekennerschreiben oder -video ist bisher nicht aufgetaucht. Reflexartig denken viele Beobachter an den 11. September 2001, als islamistische Terroristen zwei Flugzeuge ins New Yorker World Trade Center steuerten, ein weiteres auf das Pentagon in Washington stürzen ließen. Dass es sich dieses Mal wieder um religiöse Extremisten handelt, gilt als möglich. Es ist jedoch nur einer der kursierenden Erklärungsversuche.

Aus Kreisen der ermittelnden Polizeibehörden und Geheimdienste gibt es zwei Linien, die verfolgt werden: Neben der möglichen islamistischen Täterschaft ziehen die Fahnder auch einen regierungsfeindlichen Hintergrund im Inland in Betracht. Für diese Version spricht vor allem der Zeitpunkt des Anschlags. Denn tatsächlich kommen hier mehrere markante Daten zum Tragen.

Der Marathonlauf von Boston fand, wie traditionell schon seit 1897, am "Patriots' Day" statt. Am 15. April wird seit 1968 - zuvor wurden Marathon wie Feiertag am 19. April begangen - des Beginns des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs gedacht. Damit ist der 15. April für rechtsextremistische Gruppen ein symbolträchtiges Datum. Sie sehen darin einen Anlass, gegen die in ihren Augen zu weit greifende Macht des Staates zu protestieren. Schließlich war der Unabhängigkeitskrieg der befreiende Akt der amerikanischen Kolonien vor dem langen Arm des britischen Mutterlands.

Tax day ist Reizthema für rechte Gruppen

In der Ideologie rechter Gruppen - im Übrigen auch der republikanischen Tea-Party-Bewegung - ist die Zeit für eine im übertragenen Sinne neue Emanzipation von beherrschenden Kräften gekommen. In den USA werden derartige Gruppen als "right-wing extremists" dem rechten politischen Spektrum zugeschlagen, ohne dass es sich notwendigerweise um Neonazis oder Rechtsradikale nach europäischem Verständnis handeln muss. Ein weiterer Termin macht die Theorie einer rechtsextremen Täterschaft denkbar. Denn auf den 15. April fällt auch die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen in den USA - mithin ein sensibles Thema für Strömungen, die in den innenpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre eine zunehmende Gängelung ihrer Freiheit sehen. Mehr noch: Steuern gelten in rechten Kreisen grundsätzlich als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte.

Weitere nahende Jahrestage fallen ins Auge und nähren die Spekulationen eines radikal-nationalistischen Hintergrunds. In dieser Woche, genau am 19. April, jährt sich das gewaltsame Ende der Waco-Belagerung in Texas zum 20. Mal. Damals stürmten Sicherheitskräfte nach 51-tägiger Konfrontation das Hauptquartier der Davidianer-Sekte. Der Belagerungszustand wurde durch einen Schusswechsel ausgelöst, als das Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms, eine Bundesbehörde im US-Finanz- und Justizwesen, eine Razzia auf dem Gelände durchführen wollte.

"Inspire" veröffentlicht Anleitungen zum Bombenbau

Ebenfalls auf den 19. April fällt der 18. Jahrestag des verheerenden Bombenanschlags von Oklahoma City. Timothy McVeigh, ein Golfkriegsveteran, und zwei Komplizen attackierten 1995 mit einem selbst hergestellten Sprengsatz das achtstöckige Murrah Federal Building im Zentrum von Oklahoma City. In dem Gebäude waren mehrere Regierungsbehörden untergebracht. Knapp 170 Menschen starben, das Attentat ist bis heute eines der schlimmsten in der Geschichte der USA.

Auf den 16. April, also den Tag nach dem Bostoner Attentat, fällt der diesjährige Unabhängigkeitstag Israels, Jom haAtzm'ut. An diesem Tag proklamierte David Ben Gurion 1948 den Staat Israel. Israel wird in diesem Jahr als 65 Jahre alt. Traditionell fällt Jom haAtzm'ut auf den Tag nach Jom haZikaron, den Gedenktag für gefallene israelische Soldaten und die Opfer von Terrorismus. Er wurde in diesem Jahr am 15. April, dem Tag der Bombenexplosionen von Boston, begangen. Die Feiertage in Israel sind zumindest für mögliche Täter aus dem Neonazi-Umfeld symbolträchtig.

Als zweite Theorie wird Insidern zufolge wie erwähnt eine direkte oder indirekte Verbindung zu islamischen Extremisten diskutiert. Hierfür spricht die Vorgehensweise. Die Zündung von zwei Sprengsätzen kurz hintereinander bei einem Großereignis ist die Art von Angriff, die vom Islamisten-Magazin "Inspire" propagiert wird. Die Zeitschrift wird im Internet von Al-Kaida im Jemen verbreitet. Sie enthält englischsprachige Aufrufe an Muslime im Westen, Angriffe selbst mit bescheidenen Mitteln auszuführen. In einer der jüngsten Ausgaben war eine detaillierte Anleitung zum Eigenbau und Einsatz von Sprengsätzen enthalten.

Mit den pakistanischen Taliban hat die erste Gruppierung dieses Spektrums bereits betont, nicht für den Anschlag von Boston verantwortlich zu sein. Ehsanullah Ehsan, Sprecher der Tehreek-e-Taliban Pakistan, betonte allerdings:  "Wir sind für Angriffe auf die USA und ihre Verbündete."

Quelle: ntv.de, mit rts

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