Aus dem Motor in den OP Wie alte Elektroauto-Batterien der Ukraine helfen
28.02.2023, 17:27 Uhr
Kiew im November 2022, während einer Stromsperre. Aktuell ist die Stromversorgung seit zwei Wochen stabil - doch neue Angriffe Russlands dürften nur eine Frage der Zeit sein.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Ein Berliner Startup recycelt ausgemusterte Stromspeicher aus Elektroautos und bringt sie in die Ukraine. In ihrem zweiten Leben als Notstromaggregat retten die Batterien Menschenleben.
Am 23. November 2022 wurde es dunkel in der Ukraine: 70 Marschflugkörper hatte Russland an diesem Tag auf die kritische Infrastruktur seines Nachbarlands abgeschossen. Obwohl die ukrainische Luftverteidigung 51 von ihnen rechtzeitig vom Himmel holte, brach unter der Angriffswelle das zuvor bereits stark beschädigte Stromnetz vollends zusammen. In der westukrainischen Stadt Netischyn musste das nahegelegene Atomkraftwerk aus Sicherheitsgründen den Betrieb einstellen, die 40.000 Einwohner der Stadt waren tagelang ohne Strom, Wasser und Wärme, wie der Bürgermeister auf Facebook schrieb.
Besonders dramatisch war die Lage damals im örtlichen Krankenhaus: Auf halbem Weg zwischen Lwiw und Kiew und damit weit weg von der Front gelegen, ist Netischyn Anlaufstation für Tausende Binnenflüchtlinge, die medizinische Versorgungslage also auch schon ohne Stromausfall angespannt. Mit dem Beginn der russischen Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur im Oktober begann im Krankenhaus der dauerhafte Ausnahmezustand: Geplante Operationen waren nicht mehr möglich, die Notversorgung ebenfalls in Gefahr. Seit Ende Dezember ist mit der Hilfe der Initiative Ukraine 2 Power zumindest ein bisschen mehr Sicherheit nach Netischyn zurückgekehrt.
Vier Notstromaggregate aus recycelten E-Auto-Batterien, hergestellt vom Berliner Startup Betteries, versorgen das Krankenhaus in Kombination mit einer Solaranlage seitdem mit dem nötigsten Strom. Zwei bis vier der Batterien in Verbindung mit einem Handwagen und einer Handvoll Elektronik: Fertig ist der mobile Generator. "Damit können wir den Strom unkompliziert an die Orte in der Ukraine bringen, wo er am dringendsten benötigt wird: an Hotspots wie Schulen, OP-Räume, wo auch immer", sagt Betteries-Gründer Rainer Hönig.
Bis zu 1000 Notstromer für die Ukraine
Zehn Jahre soll das zweite Leben der ausgemusterten E-Auto-Batterien als Notstromer dauern. "Die einzelnen Packs können wir kombinieren wie Legosteine", erklärt Hönig. Die vier Systeme für Neteschyn waren dabei nur der Anfang: Insgesamt bis zu 1000 "Powerinseln" sollen am Ende Wärmestuben und Luftschutzbunker mit Strom zu versorgen, Gesamtkosten rund fünf Millionen Euro.
Damit die zusammenkommen, setzt Betteries auf die Zusammenarbeit mit We Aid: Die gemeinnützige Organisation hilft privaten Initiativen wie Ukraine 2 Power dabei, Spenden zu organisieren und einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, damit die Gelder auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden. "Privates Engagement wird oft mit Leidenschaft umgesetzt, aber gut gemeint ist nicht automatisch auch gut gemacht", sagt Nataliia Fiebrig, die das Hilfsprojekt koordiniert. "Wir unterstützen Menschen, die Gutes tun wollen und nicht wochenlang auf Genehmigungen von Behörden warten können. Im Katastrophenfall ist dafür schlicht keine Zeit."
Nach dem erfolgreichen Probelauf im Krankenhaus von Netischyn konnten unterdessen bereits die nächsten Systeme auf dem Weg in die Ukraine gebracht werden. Dank einer Großspende der Stiftung RTL über rund 187.000 Euro werden in wenigen Wochen insgesamt neun Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten auch im Notfall mit Strom versorgt: in Polonne unweit von Netischyn sowie im Norden der Ukraine in den Orten Kolitschiwka und Iwaniwka.
Quelle: ntv.de