Zwischen souverän und stur Scholz zu sein ist kein Selbstzweck


Olaf Scholz mit Moderatorin Pinar Atalay im RTL-Studio.
(Foto: RTL)
Angela Merkel hat mit der Parole "Weiter so" vier Amtszeiten bestritten, doch die Zeiten haben sich geändert. Für Bundeskanzler Olaf Scholz ist das kein gangbarer Weg.
Nach einer Wahl-Klatsche und einem großen TV-Auftritt ist klar: Scholz bleibt Scholz und wird Merkel immer ähnlicher. Der SPD-Bundeskanzler ignoriert die schwere Niederlage seiner Partei in ihrer einstigen roten Hochburg Nordrhein-Westfalen - und unter besserem Erklären seiner Politik versteht er vor allem Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung. Genauso wie Angela Merkel. Aber 16 Jahre Amtszeit wird Olaf Scholz damit vermutlich nicht zuwege bringen. Die Zeiten sind andere.
Der Kanzler wirkt wie ein angeschlagener Boxer, der böse einsteckt, aber einfach weitermacht. Er kann - und will - seinen politischen Kurs nicht ändern, weil er das für falsch hält. Das ist legitim, er ist gerade erst gewählt worden, und das haben andere an der Spitze der Bundesregierung vor ihm genauso gemacht. Olaf Scholz kann - und will - aber auch seinen Stil nicht verändern, weil er das für unter seiner Würde hält. Das jedoch erinnert mehr an ein trotziges Kind als an einen gelassenen Spitzenpolitiker, der sich im wichtigsten Amt Deutschlands noch zurechtfinden muss.
Einfach erstmal weiter so ist aber auch deshalb kein Weg, weil die Ampelkoalition schon jetzt ihre innere Stabilität verliert. Zwei der drei Parteien wurden in Nordrhein-Westfalen böse gerupft, die FDP hat sogar alle drei Landtagswahlen seit Jahresbeginn klar verloren. Nur die Grünen triumphieren aller Orten. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Ob es stimmt oder nicht: Die FDP und ihr Finanzminister Christian Lindner sehen sich bislang zu kurz gekommen bei der Verteilung der Erfolge, und daraus werden sie ihre Konsequenzen ziehen. Auch das erinnert an die Ära Merkel. Ihre schlechteste Koalition war die von 2009 bis 2013 - mit einer FDP, die früh die Nerven verlor, bis zum Ende nicht mehr Tritt fasste und dann aus dem Bundestag flog. Mit diesem Trauma der FDP wird auch Olaf Scholz es zu tun bekommen.
Zwischen souverän und stur verläuft eine schmale Grenze, und der Kanzler steht nicht immer auf der richtigen Seite. Am deutlichsten wurde das, als er von den Gästen in der RTL-Runde gestern Abend zu einer möglichen Reise nach Kiew befragt wurde. Trotzig antwortete der Regierungschef der viertgrößten Volkswirtschaft der Erde, dass er sich nicht einreihen werde in die Gruppe derer, die nur ein "schnelles rein und raus und ein Foto" suchten, also in Wahrheit eitle Katastrophentouristen seien. Er selber werde erst fahren, wenn er auch etwas "Konkretes" mitbringen könne. Aha, so weit wäre man auch ohne Scholz’sche Nachhilfe gekommen und hätte stattdessen doch so gern gewusst, wann er etwas "Konkretes" in Händen zu haben gedenkt - und vor allem was. Das blieb der Kanzler schuldig, weil es ihm wichtiger war zu zeigen, dass ein Olaf Scholz sich nicht treiben lässt. Ob das dem Publikum auf Dauer reicht? Wohl kaum.
Kurzum: Olaf Scholz mag noch ein wenig weiter der sein, der er immer war. Aber das ist kein Selbstzweck für einen Bundeskanzler, der selber erkennt, dass Deutschland durch eine "Zeitenwende" geht. Wenn sich so vieles ändert, könnte auch er sich ändern. Das ist nicht zu viel verlangt.
Quelle: ntv.de