Ausgerechnet das Syndesmoseband Reus erlebt das Ballack-Trauma
07.06.2014, 11:26 Uhr
Marco Reus kann nicht mit nach Brasilien fliegen.
(Foto: REUTERS)
Marco Reus fällt für die Weltmeisterschaft in Brasilien aus. Für den BVB-Star nominiert Bundestrainer Joachim Löw jemanden nach, der eigentlich schon aussortiert worden war. Reus spricht derweil von einem "geplatzten Traum".
Es hätte so ein prima Abend werden können in Mainz. Die Generalprobe für die Weltmeisterschaft war geglückt. Gegen Armenien gewann die DFB-Elf nicht nur locker mit 6:1. Auch viele Sorgenkinder meldeten sich zurück. Die angeschlagenen Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger spielten jeweils eine Hälfte. Die formschwachen Mesut Özil und Miroslav Klose sammelten ein paar Punkte für das angeknackste Ego. Dass es am Ende doch kein schöner Abend war, lag ausschließlich an eine Szene, die sich kurz vor der Halbzeit abspielte.
Der Armenier Artak Jedigarjan hatte Marco Reus leicht am Fuß getroffen, der knickte unglücklich weg. Ein harmloser Zweikampf, so schien es. Von wegen. Der Dortmunder hielt sich das linke Bein, während er sein schmerzverzerrtes Gesicht in den Mainzer Rasen drückte. Zwei Minuten später verließ er den Platz Richtung Katakomben in Begleitung. Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt musste ihn stützen. Reus konnte mit dem linken Fuß nicht mehr auftreten. Betretene Blicke auf der deutschen Bank, beängstigende Ruhe auf den Rängen im Stadion. "Es ist bitter für uns und natürlich für ihn. Er war eine Waffe", sagte Stürmer Klose nach dem Abpfiff. Er war.
"Für ihn und für uns ist dies extrem bedauerlich"
Die Diagnose folgte in der Nacht: Teilriss der vorderen Syndesmose oberhalb des linken Sprunggelenks. An diesem Samstag gab der DFB dann die Entscheidung bekannt: Verteidiger Shkodran Mustafi von Sampdoria Genua wird nachnominiert. Neun Tage vor dem ersten Gruppenspiel gegen Portugal fällt mit Reus einer der wichtigsten Spieler von Joachim Löw aus. "Ich weiß wirklich nicht, wie ich das in Worten ausdrücken soll, was ich gerade empfinde", sagte der 25-Jährige der "Bild"-Zeitung. "Ein Traum ist von einer zur anderen Sekunde geplatzt."
Der Bundestrainer erklärte: "Für ihn und für uns ist dies extrem bedauerlich. Marco war super drauf. Er hat im Trainingslager und in den beiden Spielen gegen Kamerun und Armenien einen hervorragenden Eindruck hinterlassen, hat vor Spielfreude gesprüht. In unseren Überlegungen für Brasilien hat er eine zentrale Rolle gespielt."
Laut DFB wird Reus voraussichtlich erst in sechs bis sieben Wochen wieder ins Training einsteigen können. Er muss zwar nicht operiert werden, aber ein Teilabreiss der Syndesmose ist eine heikle Verletzung. Die aus zwei Bändern bestehende Syndesmose hält Schien- und Wadenbein zusammen. Beide Knochen bilden eine Art Gabel für das Sprunggelenk. Der vordere Teil dieser Halterung ist bei Reus teilweise gerissen. Das schränkt die Stabilität so stark ein, dass er keinen Sport mehr treiben kann. Verletzungen der Syndesmose werden in der Regel durch Entlasten und Ruhigstellen, mit Schiene oder Gips, behandelt.
Spieler der Saison
Seine Erfahrungen mit der Syndesmose hat auch Ex-Nationalspieler Michael Ballack gemacht. Vor der WM 2010 in Südafrika hatte er sich nach einem Foul von Kevin-Prince Boateng ebenfalls einen Teilriss der vorderen Syndesmose zugezogen, hinzu kam ein Innenbandriss. Ballack fiel daraufhin viele Wochen aus und verpasste sogar das Turnier. Wie damals der "Capitano" ist der offensiv überall einsetzbare Reus einer der Hoffnungsträger in der Nationalmannschaft. Die Vereinigung der Vertragsfußballer wählte ihn zum Spieler der Saison. Der BVB-Star spielte eine überragende Saison, traf in 30 Ligaspielen 16mal und setzte sich auch in der Nationalelf durch.
Doch nun wird ausgerechnet Reus, der bei der EM 2012 zweimal zum Einsatz kam, die Endrunde in Brasilien verpassen. Für Löws ohnehin personell angeschlagenes Team ist das ein schmerzlicher Verlust. Die Parallelen zu Ballack sind offensichtlich. Vor vier Jahren konnte die Nationalelf dessen Ausfall letztlich allerdings weitaus besser kompensieren als befürchtet und erreichte sogar das Halbfinale. Ballack kehrte damals nicht mehr in die Mannschaft zurück, machte kein Länderspiel mehr. Dem 25-jährigen Reus dürfte dies erspart bleiben. Aber wirklich trösten wird ihn das gerade nicht.
Quelle: ntv.de, mit sid/dpa