Wirtschaft

Sanktionen treffen Airlines Aeroflot-Crews dürfen angeblich Mängel ignorieren

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Die russische Luftfahrt hat mit den vom Westen verhängten Sanktionen zu kämpfen.

Die russische Luftfahrt hat mit den vom Westen verhängten Sanktionen zu kämpfen.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Russische Fluggesellschaften weichen einem Bericht zufolge Sicherheitsvorschriften auf. Damit wollen sie verhindern, dass noch mehr Flugzeuge als Folge von westlichen Strafmaßnahmen am Boden bleiben. Das Staatsunternehmen Aeroflot dementiert.

Die westlichen Sanktionen setzen russische Airlines schwer zu und sorgen für Materialmangel bei ihren Boeing- und Airbus-Maschinen. Eine der von der staatlichen Aeroflot angeblich verhängten Gegenmaßnahmen: Das Kabinenpersonal soll Mängel und Fehlfunktionen nur noch dann dokumentieren, wenn es sich vorher mit den Piloten darüber abgestimmt hat.

Das berichtet die russische Investigativnachrichtenseite "Projekt" und beruft sich dabei auf ein internes Aeroflot-Memo, das vom März vergangenen Jahres stamme. Die Echtheit sei den Journalisten von mehreren Aeroflot-Mitarbeitern bestätigt worden. Vor dem Krieg seien Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen verpflichtet gewesen, Mängel in der Kabine schriftlich zu dokumentieren und weiterzuleiten, so "Projekt". Mittlerweile sollen sie nur noch mündlich den Piloten gemeldet werden. Bei den anderen russischen Fluggesellschaften gelte die gleiche Vorgehensweise.

Aeroflot wies den Bericht gegenüber ntv.de zurück und warf den Journalisten Inkompetenz vor. "Wir halten dieses Material für gefälscht", so die Pressestelle des Unternehmens. Aeroflot habe immer wieder bewiesen, dass es fähig sei, seine Flugzeuge zu warten und zu reparieren. Bei "Projekt" handele es sich um "vermeintliche Journalisten". "Höchstwahrscheinlich wird ein Geburtshelfer und Gynäkologe nicht in der Lage sein, Herzoperationen durchzuführen, ein Klempner wird keinen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften schreiben, und ein Philosoph wird nicht in der Lage sein, komplexen Code für Software zu erstellen", heißt es in der Mail weiter. "Projekt" zeige in dem Bericht, dass es in Sachen Wartung und Reparatur von Flugzeugen "den Wissensstand eines Wachmanns" habe.

Die Investigativ-Journalisten von "Projekt" waren in Russland Repressionen ausgesetzt. Das Portal wurde deshalb 2021 geschlossen, ein Teil des Teams verließ das Land und gründete ein neues Medienunternehmen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine belebten sie "Projekt" wieder.

Ersatzteile aus dubiosen Quellen

Nach der russischen Invasion in der Ukraine hatte der Westen Sanktionen unter anderem gegen die russische Luftfahrtindustrie verhängt. Russische Airlines dürfen in vielen Staaten nicht mehr fliegen. Westlichen Unternehmen ist es nicht erlaubt, Ersatzteile zu liefern oder russische Flugzeuge zu reparieren. Zwei Drittel der Zivilmaschinen des Landes stammen aus westlicher Produktion - vor allem von Boeing und Airbus.

Flugzeuge müssen bei bestimmten Mängeln am Boden bleiben, bis diese behoben sind. "Vor dem Krieg wurde diese Regel strikt befolgt", zitiert "Projekt" einen ehemaligen Aeroflot-Mitarbeiter. "Wir haben jede Kleinigkeit protokolliert und sie an Ort und Stelle behoben." Werden Mängel nicht offiziell dokumentiert und weitergeleitet, stehen sie einer Startgenehmigung nicht im Wege.

Dem Bericht zufolge kann die von russischen Fluggesellschaften aufgeweichte Protokollierung die Sicherheit der Passagiere gefährden. Im vergangenen Jahr flog demnach beispielsweise eine Aeroflot-Maschine von den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Moskau ohne die vorgeschriebene Zahl an Sauerstoffflaschen.

Russische Fluggesellschaften versuchen, den Ersatzteilmangel mit unterschiedlichen Maßnahmen zu lindern. Sie schlachten etwa Flugzeuge aus, die aufgrund des Krieges in Russland gestrandet sind. Außerdem kaufen sie Ersatzteile aus Drittländern und versuchen so, die Sanktionen zu umgehen.

Weniger Flugzeuge im Einsatz

Wie die "New York Times" berichtet, gingen im vergangenen Jahr trotz Verbot tausende Lieferungen von Ersatzteilen nach Russland - von einfachen Schrauben bis zu einem in den USA produzierten 290.000 Dollar teuren Gerät zum Starten von Triebwerken. Die Zeitung beruft sich auf Daten vom russischen Zoll, die US-Datenspezialist Import Genius gesammelt und ausgewertet hat.

Die Lieferungen dürften illegal sein und aus obskuren Quellen stammen. Der Zeitung zufolge gelangen die Teile durch Netzwerke aus Strohmännern und Tarnfirmen über den Nahen Osten und Asien nach Russland. Sie stammen beispielsweise aus Beständen von Fluggesellschaften, Wartungsfirmen oder Unternehmen, die mit Teilen verschrotteter Maschinen handeln. Boeing und Airbus betonen, dass sie die gegen Russland verhängten Sanktionen strikt befolgten.

Die zivile russische Luftfahrt wurde von den westlichen Maßnahmen hart getroffen. Nach Angaben der "New York Times", ging die Zahl der eingesetzten kleineren Maschinen mit einem Gang innerhalb eines Jahres - zwischen Sommer 2021 und Sommer 2022 - um 16 Prozent zurück. Von größeren Flugzeugen mit zwei Gängen, die auf der Langstrecke eingesetzt werden, waren sogar 40 Prozent weniger im Einsatz. Neuere Zahlen konnte die Zeitung nicht ermitteln.

Dem Flugdatenanbieter Cirium zufolge werden in diesem Monat Zehntausende Flüge über Russland abgewickelt. Gut 21.000 Flüge - mehr als die Hälfte davon von russischen Fluggesellschaften - werden voraussichtlich Passagiere von und nach Ländern in Zentralasien sowie in die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, China und Thailand befördern.

Quelle: ntv.de

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