Wirtschaft

EU kauft in Russland ein Auch Düngemittel finanziert Putins Krieg  

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Der Anteil Russlands an den Importen von Düngemitteln in die EU ist kräftig gestiegen.

Der Anteil Russlands an den Importen von Düngemitteln in die EU ist kräftig gestiegen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Importe von russischem Düngemittel in die EU steigen kräftig – denn es kann dort viel billiger hergestellt werden. Das hilft der russischen Kriegskasse.

Eigentlich will die EU unabhängiger werden, vor allem von Russland und russischer Energie. Der Verzicht auf russisches Gas hatte hierzulande 2022 die Energiepreise in die Höhe getrieben und damit auch die energieintensive Produktion von Düngemitteln so teuer gemacht, dass europäische Produzenten sie vergangenes Jahr teilweise aussetzen mussten. Diese Lücke wurde mit umso mehr russischen Importen gefüllt, wie jetzt Zahlen des Industrieverbands Agrar (IVA) zeigen.

Die Exporte aus Russland in die EU hätten sich in der vergangenen Saison im Vergleich zum Vorjahr mehr als verfünffacht, sagte Marco Fleischmann vom IVA auf der Jahrespressekonferenz des Verbands. In dieser Saison mache der Anteil Russlands an den EU-Importen 19 Prozent aus. "Letztlich sind die importierten Düngemittel nichts anderes als jede Menge billiges russisches Erdgas auf der nächsten Wertschöpfungsstufe", sagt IVA-Hauptgeschäftsführer Frank Gemmer im Gespräch mit "Capital".

Denn die Energie- und dabei vor allem die Gaskosten machen bis zu 90 Prozent der Herstellungskosten von Mineraldünger aus. Je teurer Energie und Gas werden, desto teurer wird auch der Dünger. Vor allem zur Herstellung von Stickstoff-Düngern aus Ammoniak braucht es einen Energieträger wie Erdgas, zum einen als Rohstoff und zum anderen als Energiequelle im Produktionsprozess. Als mit Beginn des Ukrainekriegs die Gaspreise in Europa in die Höhe schossen, trieb das die Preise vieler Produkte der chemischen Industrie, auch von Mineraldünger in die Höhe.

Schon einen Monat nach Beginn des Ukrainekriegs lagen die Erzeugerpreise für Düngemittel in Deutschland fast 90 Prozent über dem Vorjahresniveau. Im September 2022 führte der Spitzenwert des Gaspreises in der EU dann zu einem Anstieg um fast 150 Prozent, wie die EU-Kommission angibt. Fast zwei Drittel der Ammoniakproduktion in der EU, der Schweiz, Norwegen und Großbritannien lagen still, weil es sich einfach nicht lohnte.

BASF schaltet Anlagen ab

Die Folge war ein verzögerter und reduzierter Einkauf von Düngemitteln bei den Landwirten. Die hohen Preise drückten die Nachfrage, sodass der Absatz von Düngemitteln massiv einbrach. Der Absatz von Stickstoff-Dünger in Deutschland betrug im zweiten Quartal 2022 fast 19 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Als die Gaspreise später wieder sanken, konnten die ausgefallenen Produktionsmengen aufgrund der gegebenen Kapazitäten nicht nachproduziert werden. Und diese Situation dürfte sich in Zukunft nicht unbedingt verbessern. Der deutsche Chemiekonzern BASF beispielsweise teilte Anfang des Jahres mit, eine seiner beiden Ammoniakanlagen in Ludwigshafen dauerhaft abzuschalten, nachdem es seine Produktion 2022 wegen der gestiegenen Gaspreise ebenfalls gedrosselt hatte.

Wenn in der EU weniger Düngemittel produziert werden, führt das erneut zu Abhängigkeiten, die eigentlich vermieden werden sollten, sagte EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski. Eine rentable Produktion von Düngemitteln in der EU sei nicht nur "eine wesentliche Voraussetzung für unsere strategische Autonomie", sondern außerdem wichtig für Europas Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit, so Wojciechowski Ende vergangenen Jahres.

Einfuhr völlig legal

Der IVA bewertet die Abhängigkeit von Lieferanten aus anderen Ländern bereits jetzt als zu groß. Die EU müsse sich dringend überlegen, wie sie verhindere, dass im gleichen Zuge die eigene Düngeproduktion in die Knie gezwungen, Putins Kriegskasse aber gefüllt werde, sagt Gemmer. Auch wenn durch die Dünger-Importe keine richtige Abkopplung von Russland und seiner Energie stattfindet, ist die Einfuhr russischer Düngemittel nicht illegal.

Nahrungs- und Düngemittel stehen ausdrücklich nicht auf der Liste der EU-Sanktionen, die die russische Wirtschaft seit Ausbruch des Ukrainekriegs eigentlich schwächen sollen. Es sei jedem gestattet, mit aus Russland stammenden Düngemitteln zu handeln und diese zu kaufen, heißt es auf der Internetseite des Europäischen Rats. Damit wolle man für Ernährungssicherheit und erschwingliche Nahrungsmittelpreise sorgen. Ende vergangenen Jahres hat die EU sogar eingefrorene Vermögenswerte bestimmter Personen wieder freigegeben, die wichtig sind für den internationalen Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen.

Dieser Text erschien zuerst bei "Capital".

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen