Pendler und Reisende betroffen Bahn-Gewerkschaft EVG kündigt 50-Stunden-Warnstreik an
11.05.2023, 09:03 Uhr Artikel anhörenIm Tarifkonflikt mit der Eisenbahngewerkschaft EVG stehen weitere Warnstreiks bevor. Pendlern und Reisenden drohen damit deutliche Einschränkungen bei der Bahn - und das für zwei volle Werktage.
Im Tarifstreit mit den Arbeitgebern will die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) den Zugverkehr deutschlandweit ab Sonntagabend für 50 Stunden lahmlegen. Der dritte Warnstreik in diesem Jahr werde damit von Sonntag 22.00 Uhr bis Dienstagabend 24.00 Uhr dauern, teilte die EVG mit. Die Bahn kündigte daraufhin an, den Fernverkehr für diesen Zeitraum komplett einzustellen. Sämtliche ICE- und IC-Züge bleiben in den Depots.
Die Deutsche Bahn rechnet mit "massiven Auswirkungen" auf den gesamten deutschen Bahnbetrieb. "Es muss außerdem mit erheblichen Auswirkungen auf den gesamteuropäischen Güterverkehr gerechnet werden", teilte die Bahn mit. Sechs von zehn europäischen Frachtkorridoren führten über das deutsche Schienennetz. Der Konzern kündigte im Personenverkehr umfangreiche Kulanzregelungen für die betroffenen Fahrgäste an.
Den von der Gewerkschaft ausgerufenen Streik kritisierte die Bahn scharf. "Dieser irrsinnige Streik ist völlig grundlos und restlos überzogen", erklärte Personalvorstand Martin Seiler. Statt Kompromisse zu suchen, wolle die EVG das Land "unglaubliche 50 Stunden lahmlegen". Das sei ein Vollstreik ohne Urabstimmung und Millionen Reisende seien davon betroffen.
Mit den Maßnahmen will die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen. Die EVG hat in dem Konflikt bereits zwei Mal zu bundesweiten Warnstreiks im Fern- und Regionalverkehr aufgerufen und diesen damit weitgehend zum Erliegen gebracht. Die Gewerkschaft verhandelt seit Ende Februar mit der Deutschen Bahn und 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen über höhere Tarife für rund 230.000 Beschäftigte. Die nächste Gesprächsrunde mit der Deutschen Bahn ist für den 23. Mai angesetzt.
Die Gewerkschaft will bei den Verhandlungen mindestens 650 Euro mehr im Monat für die Beschäftigten herausholen oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen, das alles bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von einem Jahr. Die Deutsche Bahn will sich dagegen am Abschluss des öffentlichen Dienstes orientieren, der Ende April erzielt wurde.
Für Unruhe inmitten des Tarifkonflikts sorgt ein Medienbericht, wonach Tausende Führungskräfte der Deutschen Bahn Ende April Prämien erhielten, die sich auf mindestens einen dreistelligen Millionenbetrag summieren. Die Prämien seien an 30.000 Beschäftigte ausgezahlt worden, darunter rund 3800 Führungskräfte, berichteten NDR und "Süddeutsche Zeitung". Aus Bahnkreisen hieß es dazu, dass der Konzern "die teils seit Jahrzehnten geltenden Arbeitsverträge der Beschäftigten, zu denen Tarifmitarbeitende und Führungskräfte zählen", erfülle. Der NDR zitierte einen Bahn-Sprecher, dem zufolge die Gelder Ende April ausgezahlt wurden.
Pünktlichkeit ohne Auswirkung auf Boni
Die Bahn steht derzeit unter anderem wegen der geringen Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr stark in der Kritik. Im vergangenen Jahr erreichten die Fernverkehrszüge lediglich 65,2 Prozent der Halte pünktlich. Das Ziel für dieses Jahr - eine Quote deutlich über 70 Prozent - ist nach der Leistung in den ersten vier Monaten nur noch schwer zu erreichen. Die Bahn kämpft vor allem mit einer maroden Infrastruktur und daraus folgenden Baustellen.
Die Pünktlichkeit sowie die Kundenzufriedenheit sind dem NDR-Bericht zufolge Teil der Boni-Berechnung, wurden demnach aber dieses Mal mit null Prozent gewichtet. In die Berechnung der "variablen Gehaltsbestandteile" seien die Punkte Mitarbeiterzufriedenheit, Frauen in Führungspositionen, das Erreichen finanzieller Ziele und die persönlichen Ziele eingeflossen. Von den Sonderzahlungen zunächst ausgenommen war dem Medienbericht zufolge der Konzernvorstand. Diese Zahlungen würden derzeit noch geprüft.
Quelle: ntv.de, mba/dpa