
Bei Deutschlands größtem Stahlerzeuger Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) berät der Aufsichtsrat über eine grundlegende Neuaufstellung.
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Bei Thyssenkrupp herrscht Streit um die Neuaufstellung der Stahlsparte. Der Konzernboss zählt den Chef der Stahl-Problemtochter an, Eigentümer und Arbeitnehmervertreter zoffen sich öffentlich - viel Konfliktpotenzial für die heute angesetzte Sitzung des Stahl-Aufsichtsrats.
Bei Thyssenkrupp wird heftig um die Zukunft der traditionellen Stahlsparte gestritten: Der Konzernchef Miguel López will offenbar mehrere Vorstände der Stahltochter loswerden, während sich Anteilseigner und Arbeitnehmervertreter zoffen. Heute Nachmittag trifft sich der Aufsichtsrat der Sparte zu einer entscheidenden Sitzung. Die dürfte intensiv werden - schon für zwei Stunden später hat Stahl-Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel zu einem Pressegespräch eingeladen. Auch López sitzt in diesem Gremium.
Die unter der Konjunkturflaute und Billigimporten leidende Sparte Thyssenkrupp Steel soll neu aufgestellt werden. López will die Produktionskapazitäten wegen der schwachen Nachfrage reduzieren und das Stahlgeschäft in ein 50:50-Joint Venture mit der Energieholding des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský auslagern. Dieser hält bereits 20 Prozent der Anteile. Geplant ist unter anderem ein Abbau der Stahlerzeugungskapazitäten in Duisburg, der auch mit einem Stellenabbau verbunden sein wird. Die Arbeitnehmervertreter halten das für keine gute Idee. Sie fürchten, dass Tausende Jobs wegfallen und mehrere Standorte geschlossen werden. Křetínský hatte an der jüngsten Sitzung des Aufsichtsrats im August teilgenommen, möglicherweise ist er auch heute anwesend.
In der Thyssenkrupp-Stahlsparte sind 27.000 Menschen beschäftigt. Allein 13.000 davon arbeiten in Duisburg. In den übrigen Konzerngesellschaften beschäftigt Thyssenkrupp weitere rund 70.000 Menschen.
López ist so unzufrieden mit der Entwicklung der Stahlsparte, dass er dem "Handelsblatt" zufolge mehrere Vorstände der Stahltochter ablösen will. Drei von fünf Vorständen der Gesellschaft seien Vereinbarungen für eine Vertragsaufhebung unterbreitet worden, darunter sei auch Stahlchef Bernhard Osburg. Ein Unternehmenssprecher wollte das nicht kommentieren.
"Billig und stillos"
López hatte Osburg öffentlich angezählt – dieser müsse endlich einen "langfristig tragfähigen, soliden und finanzierbaren Businessplan" für die Neuausrichtung des Stahlbereichs vorlegen: "Was wir jetzt brauchen, ist ein nüchterner, realistischer Blick in die Zukunft ohne Hoffnungswerte und ohne Schönfärberei". Die beiden Manager streiten derweil auch über die Höhe der Mitgift, die der Mutterkonzern der Tochter auf die Reise in die Eigenständigkeit geben soll. Gabriel zufolge sieht die Sparte einen Finanzierungsbedarf, der rund 1,3 Milliarden Euro über dem liege, was der Konzern biete.
Derweil gewinnt der Streit zwischen Vertretern der Anteilseigner des Gesamtkonzerns und der Arbeitnehmerseite an Heftigkeit. Sie seien in großer Sorge wegen des Auftritts und der Kommunikation von Arbeitnehmervertretern, hieß es in einer Erklärung der Gruppe. Dadurch werde eine sachgemäße Behandlung überfälliger Entscheidungsprozesse zur Zukunftssicherung der Stahlproduktion in Duisburg und der Stahlsparte von Thyssenkrupp insgesamt nachhaltig erschwert und behindert. "Insbesondere verurteilen wir die emotionale Aufladung und teils gezielt verletzende Verunglimpfungen und persönliche Anfeindungen." Zu den Unterzeichnern gehörten unter anderem der Konzern-Aufsichtsratsvorsitzende Siegfried Russwurm und Ursula Gather, die Chefin der Krupp-Stiftung und größte Einzelaktionärin.
Die Arbeitnehmervertreter wiesen die Vorwürfe zurück. "Die Erklärung ist der offensichtliche Versuch, Ursache und Wirkung umzudrehen und sich vor der Verantwortung wegzuducken", so der stellvertretende Vorsitzende des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats und Vize-Chef der IG Metall, Jürgen Kerner. Das sei billig und stillos. "Nicht wer 'Feuer' ruft, ist für den Brand verantwortlich, sondern wer das Feuer legt." Die Beschäftigten seien zutiefst verunsichert. Verantwortlich dafür sei allein das "rücksichtslose, intransparente und unprofessionelle Agieren" von López und Russwurm.
Proteste gegen Pläne
Die Eigentümer-Gruppe wirft dagegen der Arbeitnehmerseite vor, die Beschäftigten zu verunsichern, "indem der Eindruck massenhaft drohender individueller Arbeitsplatzverluste vermittelt" werde. In den vergangenen Monaten hatten Betriebsräte und IG Metall bei zahlreichen Veranstaltungen gegen einen umfangreichen Personalabbau demonstriert und von "Horror" gesprochen.
Die Stahlsparte benötige rasch unvermeidliche Restrukturierungen, hieß es weiter in dem Schreiben. "Die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat unterstützen den Vorstand der Thyssenkrupp AG unter Führung von Miguel López voll und ganz in seinem darauf ausgerichteten Handeln."
Quelle: ntv.de, mit rts/dpa