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Putin entmachtet Schoigu Beloussow kann der Ukraine gefährlich werden

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Beloussow gehört zum "wirtschaftlichen Block" des Kremls.

Beloussow gehört zum "wirtschaftlichen Block" des Kremls.

(Foto: REUTERS)

Wladimir Putin ernennt mit Andrej Beloussow einen Technokraten zum neuen russischen Verteidigungsminister. Er soll dafür sorgen, dass die enormen Militärausgaben für den Angriffskrieg in der Ukraine effizienter eingesetzt werden.  

Der Unterschied ist deutlich. Sergej Schoigu trägt gerne Uniform und ist mit so vielen Orden dekoriert, dass selbst nordkoreanische Offiziere neidisch werden könnten. Andrej Beloussow dagegen setzt auf schlichte Anzüge. Gemeinsam ist dem alten und dem neuen russischen Verteidigungsminister zwar, dass sie keinen militärischen Hintergrund haben. Für die Ukraine ist der Wechsel dennoch eine schlechte Nachricht.

Denn Russlands Präsident Wladimir Putin entfernt mit Schoigu einen Mann von der Spitze des Militärs, den sowohl russische Kriegsbefürworter als auch westliche Analysten für die zahlreichen Fehlschläge Moskaus vor allem zu Beginn der Invasion in der Ukraine mitverantwortlich machen. Durch den Ökonomen Beloussow als neuen Verteidigungsminister stärkt Putin den Fokus auf die wirtschaftlichen Ressourcen, die Russland braucht, um einen langen Krieg zu führen.

Putin will den Krieg mit der Waffenproduktion der Rüstungsindustrie gewinnen. "In seiner Denkweise ist das logisch, weil sich der wirtschaftliche Block in dem Krieg als effektiver erwiesen hat als der Sicherheits- und Militärapparat", sagte Alexander Baunow, der jahrelang als politischer Analyst am Moskauer Carnegie-Institut gearbeitet hat und mittlerweile beim Carnegie Russia Eurasia Zentrum in Berlin leitender Wissenschaftler ist. Putins Strategie sei es, Druck auf die Ukraine nicht durch die Mobilmachung neuer Soldaten auszuüben, sondern durch die Kapazitäten des Rüstungskomplexes.

Beloussow ist Wirtschaftswissenschaftler. Er hat in der Sowjetunion Ökonomie studiert und hat Russlands Präsidenten Wladimir Putin in verschiedenen Funktionen als Wirtschaftsberater gedient. Seit Januar 2020 ist er Vize-Regierungschef. Wie erfolgreich der "wirtschaftliche Block" ist, zeigt sich etwa an der Notenbankchefin Elwira Nabiullina. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass Russland den westlichen Finanzsanktionen bisher weitgehend widerstanden hat.

Angeln mit Putin

Schoigu dagegen gehört zu den sogenannten "Silowiki", den "Mächtigen" des Geheimdienst- und Sicherheitsapparats, die Schlüsselstellungen in Politik und Wirtschaft besetzen. Er war viele Jahre Minister für Katastrophenschutz und erhielt dort seinen Rang als General, obwohl er keinen Militärdienst hinter sich hatte. 2012 wurde er Verteidigungsminister. Trotz zahlreicher Fehler und Rückschläge der russischen Armee bei ihrer Invasion in der Ukraine sowie der weitverbreiteten Korruption bei Rüstungsaufträgen war Schoigu nahezu unantastbar. Das lag vor allem an seiner Nähe zu Putin, der Loyalität sehr viel Wert beimisst. Beide Männer hatten mehrfach gemeinsam Urlaub in der Heimat Schoigus gemacht und sich beim Angeln fotografieren lassen.

Auch den Aufstand der Söldnertruppe Wagner von Jewgeni Prigoschin vor knapp einem Jahr überstand Schoigu. Dabei richtete sich die Meuterei explizit gegen den Verteidigungsminister und den Generalstabschef Waleri Gerassimow, denen Prigoschin Versagen vorwarf. Nach dem Zusammenbruch des Aufstands und dem Tod des Söldner-Führers bei einem Flugzeugabsturz war Schoigus Position gefestigt. Im April wurde jedoch sein Stellvertreter Timur Iwanow wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Damit deutete sich an, dass Schoigu bald seinen Posten räumen muss. Nun wird er Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats. Formell ist das ein Aufstieg. Doch Schoigu hat damit keine direkten Befugnisse mehr.

Während Russlands Armee in der Ukraine vorrückt, war für Putin der Zeitpunkt gekommen, den Verteidigungsminister auszutauschen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, dass die Ausgaben für das Militär inzwischen so hoch seien, dass sie von jemandem wie Beloussow kontrolliert werden müssten. Allein in diesem Jahr sollen dem Militär umgerechnet rund 117 Milliarden Dollar zur Verfügung stehen. Fast ein Drittel des russischen Staatshaushalts geht in den Verteidigungshaushalt.

Beloussow gilt - im Gegensatz zu Schoigu und seinem Umfeld - als nicht korrupt. "Er ist absolut nicht korrumpiert", zitiert die "Financial Times" eine Person, die ihn seit Jahrzehnten kennt. "Beloussow ... wird nicht so tun, als würde er die Armee wie ein General mit vielen Orden befehligen." Er sei ein Workaholic, den Putin sehr genau kenne. Der Sohn eines sowjetischen Ökonomen arbeitete in der Wissenschaft, bevor er 1999 in den Regierungsapparat wechselte. Er war Minister für wirtschaftliche Entwicklung, danach Wirtschaftsberater von Putin und zuletzt Vize-Ministerpräsident.

Angesichts der enormen Kosten versucht der Kreml, den Krieg auf eine wirtschaftlich tragfähige Grundlage zu stellen und die Verteidigungsausgaben effizienter für die Invasion in der Ukraine zu nutzen. Dazu soll Beloussow seinen Teil beitragen. Doch nicht nur das würde die Probleme der Ukraine vergrößern. Der neue Verteidigungsminister könnte den in Russland wegen Erfolglosigkeit kritisierten Gerassimow ablösen und einen fähigeren Mann an die Spitze des Generalstabs setzen.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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